Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 15.11.1990; Aktenzeichen 4 Ca 3534/89) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 15. Nov. 1990 – 4 Ca 3534/89 – abgeändert: Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 15.084,33 (i.W. fünfzehntausendvierundachtzig 33/100 Deutsche Mark) zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die konkursrechtliche Qualifizierung von auf die Klägerin übergegangenen Ansprüchen auf Zahlung von Vorruhestandsleistungen für die Zeit nach Konkurseröffnung.
Die Klägerin ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes, der tarifvertraglich u.a. die Aufgabe der Erstattung von Vorruhestandsleistungen an die Arbeitgeber des Baugewerbes zugewiesen ist und die nach tariflicher Maßgabe im Falle des Konkurses des Arbeitgebers die tariflichen Vorruhestandsleistungen an die ausgeschiedenen Arbeitnehmer erbringt.
Am 29. November 1985 wurde Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin, die einen baugewerblichen Betrieb unterhielt, das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt.
Der ehemalige Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin, Herr J. D., hat von der tarifvertraglichen Vorruhestandsregelung Gebrauch gemacht. Der Vorruhestand begann nach dem 31. Dezember 1985. Der frühere Arbeitnehmer D. verstarb im Dezember 1989.
Die Klägerin gewährte Herrn D. für die Zeit ab dem 1. April 1986 Vorruhestandsleistungen nach dem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag über den Vorruhestand im Baugewerbe (VRTV-Bau) vom 26. September 1984. Der Arbeitnehmer D. erfüllte zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen zum Bezug von Vorruhestandsgeld nach den tariflichen Vorschriften.
Mit der Klage verlangt die Klägerin vom Beklagten 10% der an den Arbeitnehmer D. gezahlten Vorruhestandsgelder in der unstreitigen Höhe von insgesamt 15.084,33 DM. Die Klägerin ist der Auffassung, bei den auf sie nach tariflicher Maßgabe übergegangenen Ansprüchen des Arbeitnehmers D. gegen die Gemeinschuldnerin handele es sich um eine Masseschuld nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO.
Nachdem im Termin vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden vom 15. November 1990 für den Beklagten niemand erschienen war,
hat die Klägerin beantragt,
den Beklagten für die Zeit vom 1.4.1986–31.12.1989 durch Versäumnisurteil zu verurteilen, an die Klägerin 15.084,33 DM zu zahlen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 15. November 1990 die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat gegen dieses ihr am 22. Januar 1991 zugestellte Urteil am 22. Februar 1991 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 2. Mai 1991 am 2. Mai 1991 begründet.
Die Klägerin vertieft ihr Vorbringen in erster Instanz.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichtes Wiesbaden vom 15. November 1990 – 4 Ca 3534/89 – abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 15.084,33 DM zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
Die nach der Beschwer statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.
1. Das Berufungsgericht kann sich nicht der Begründung des Arbeitsgerichtes anschließen, der Zahlungsanspruch scheitere daran, daß die Klägerin ihre Forderung im Konkursverfahren als Konkursforderung gem. § 61 KO geltend machen müsse. Die erkennende Kammer hat bereits mit Urteil vom 29. Oktober 1990 – 11 Sa 62/90 – entschieden, daß Vorruhestandsleistungen auf Grund des VRTV-Bau, die den Arbeitnehmern für die Zeit nach Konkurseröffnung zustehen, Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO sind. In diesem Sinne hat auch die 14. Kammer des Landesarbeitsgerichtes Frankfurt am Main mit Urteil vom 19. November 1990 – 14 Sa 431/90 – entschieden.
Für den ehemaligen Arbeitnehmer D. sind Ansprüche auf Vorruhestandsleistungen nach dem VRTV-Bau vom 26. September 1984 entstanden. Nach § 2 VRTV-Bau entsteht ein Anspruch auf Vorruhestandsgeld, wenn der Arbeitnehmer auf seinen Antrag in den Vorruhestand versetzt worden ist, bestimmte versicherungsrechtliche Mindestvoraussetzungen erfüllt hat und das vorgesehene Mindestalter und die festgelegte Betriebszugehörigkeit gegeben sind. Dies ist vorliegend der Fall.
a) Der frühere Arbeitnehmer D. gehörte unmittelbar vor Beginn des Vorruhestandes ununterbrochen mehr als 12 Monate einem baugewerblichen Betrieb an. Darüber besteht zwischen den Parteien kein Streit. Der Vorruheständler war von der Gemeinschuldnerin seit dem 1. November 1978 beschäftigt worden. Das Arbeitsverhältnis bestand bis zum Tag der Konkurseröffnung am 29. November 1985 sieben Jahre und ein Monat. Eine Kündigung erfolgte nicht. Vielmehr wurde der Arbeitnehmer D. bis zum Eintritt des Vorruhestandes am 1. April 1986 weiter beschäftigt. Ab dem 1. April 1986 trat an die Stelle des Arbeitsverhältnisses der Vorruhestand; nach § 5 Abs. 1 VRTV-Bau standen dem Arbeitnehmer Ansprüche auf Vorruhestandsgeld...