Entscheidungsstichwort (Thema)

Persönlicher Geltungsbereich des VTV-Bau. Vierjährige Verfall- und Verjährungsfristen von Beitrags- und Zinsansprüchen nach dem VTV-Bau

 

Leitsatz (amtlich)

Ein baugewerblicher Betrieb, der seit 2017 keine gewerblichen Arbeitnehmer, Angestellten oder Auszubildenden (§ 1 Abs. 3 VTV) mehr beschäftigt, unterfällt nicht dem VTV vom 18. September 2018, mit der Folge, dass es hinsichtlich der Verjährung von Beitrags- und Zinsansprüchen bei den vierjährigen Verfall- und Verjährungensfristen des VTV vom 20. Dezember 1999, vom 18. Dezember 2009 bzw. vom 03. Mai 2013 jeweils i.V.m. § 7 SokaSiG bzw. einer wirksamen AVE verbleibt.

 

Leitsatz (redaktionell)

Sieht der Geltungsbereich des Tarifvertrags vor, dass ihm nur Betriebe unterfallen, die entweder gewerbliche Arbeitnehmer und/oder Angestellte und/oder Auszubildende beschäftigen, fällt ein Betrieb nicht mehr in diesen Geltungsbereich, wenn er seit mehr als fünf Jahren keine der obengenannten Personen beschäftigt und zwischenzeitlich ein Folgetarifvertrag abgeschlossen wurde.

 

Normenkette

VTV-Bau § 21 Abs. 4; SokaSiG § 7; VTV-Bau § 1 Abs. 3; BGB § 204 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 07.04.2022; Aktenzeichen 9 Ca 23/22 SK)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 07. April 2022 – 9 Ca 23/22 SK – teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.285,- Euro zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Beklagte 64% und der Kläger 36% zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Verzugszinsen aus titulierten Beiträgen an die Sozialkassen des Baugewerbes für Zinszeiträume in den Kalenderjahren 2015 bis 2018 in Höhe von 14.570,94 EUR. Hinsichtlich der Forderungsaufstellung wird auf Blatt 19 ff. der Akte verwiesen.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes berechtigt und verpflichtet.

Der Beklagte unterhält einen baugewerblichen Betrieb und beschäftigte bis 2017 gewerbliche Arbeitnehmer.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Niederschriften der mündlichen Verhandlungen und auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 07. April 2022 die Klage insgesamt abgewiesen und – soweit für die Berufungsinstanz von Bedeutung – ausgeführt, dass der Kläger seine Zinsansprüche schlüssig begründet habe. Eine Verrechnung habe erst im Herbst 2019 stattgefunden, Zinsen würdigen lediglich für den Zeitraum bis Ende 2018 verlangt.

Das Arbeitsgericht hat angenommen, die streitgegenständlichen Verzugszinsen seien durch Anschreiben des Klägers vom 09. Juli 2018 und vom 07. Januar 2019 unter Bezugnahme auf beigefügte Verzugszinsrechnungen vom 04. Juli 2018 und vom 04. Januar 2019 rechtzeitig vor ihrem Verfall gemäß § 21 Abs. 1 des Tarifvertrags über Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) geltend gemacht worden. Allerdings seien die streitgegenständlichen Zinsen verjährt. Gemäß § 21 Abs. 4 des VTV vom 28. September 2018 betrage die regelmäßige Verjährungsfrist für Ansprüche der Kassen gegen den Arbeitgeber drei Jahre. Abweichend hiervon betrage die Verjährungsfrist für Ansprüche der Kasse gegen den Arbeitgeber, die bis zum Ablauf des Jahres 2014 fällig geworden sind, vier Jahre. Zwar hätten die bis zum 31. Dezember 2018 geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen noch eine vierjährige Verjährungsfrist vorgesehen, diese sei jedoch durch den VTV vom 28. September 2018 für Ansprüche, die nach Ablauf des Jahres 2014 fällig geworden sind, wirksam abgekürzt worden. Diese verkürzte Verjährungsfrist habe der Kläger nicht gewahrt.

Ausgehend hiervon seien die verlangten Zinsen für die Zeit vom 21. Oktober 2015 bis zum 21. Dezember 2015 am 31. Dezember 2018 in Anwendung von § 199 Abs. 1 BGB verjährt. Der Ablauf der Verjährungsfrist für die Zinsen des Kalenderjahres 2017 sei am 31. Dezember 2020 und der Ablauf der Verjährungsfrist für die Zinsen des Kalenderjahres 2018 mit Ablauf des 31. Dezember 2021 eingetreten.

Das Arbeitsgericht hat weiter zugrunde gelegt, dass der Ablauf der Verjährung auch nicht durch die Einleitung des vorliegenden Verfahrens gehemmt worden sei. Durch den noch im Dezember 2021 eingereichten Mahnantrag hätte zwar die Verjährung der Zinsforderungen des Kalenderjahres 2018 gehemmt werden können, dies sei jedoch vorliegend nicht erfolgt, da der Mahnantrag nicht den Anforderungen von § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO entsprochen habe. Eine hinreichende Individualisierung habe gefehlt. In dem Mahnbescheid seien Verzugszinsrechnungen vom 05. Juli 2018 und vom 31. Dezember 2018 angegeben. Von diesen Daten gäbe es aber unstreitig keine Verzugszin...

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