Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährung/Verfall von Ansprüchen im Geltungsbereich des Sozialkassenverfahrens im Baugewerbe bei Einstellung des Betriebes im Jahr 2013

 

Leitsatz (amtlich)

Ob § 7 SokaSiG verdeckt tarifpositiv ist (so im Ergebnis HLAG, 27. Mai 2022, 10 Sa 1272/21 SK), ob also die Tarifvertragsparteien mit dem zum 01.01.2019 in Kraft getretenen VTV vom 28. September 2018 § 7 SokaSiG rechtswirksam abändern und die Verfall-/Verjährungsfristen für Ansprüche aus den Kalenderjahren 2015 bis 2018 rückwirkend von vier auf drei Jahre verkürzen konnten, bedarf keiner Entscheidung, wenn - wie vorliegend - der Arbeitgeber zu keinem Zeitpunkt dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV vom 28. September 2018 unterfallen ist.

Zumindest in diesem Fall verbleibt es bei den vierjährigen Verfall-/Verjährungensfristen des VTV vom 20. Dezember 1999, vom 18. Dezember 2009 bzw. vom 03. Mai 2013 jeweils i.V.m. § 7 SokaSiG.

 

Normenkette

VTV SOKA Bau Fassung: 2018-09-28; SokaSiG § 7

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 20.12.2021; Aktenzeichen 10 Ca 277/21 SK)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 20. Dezember 2021 – 10 Ca 277/21 SK – abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.712,82 € zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten auf Grundlage des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) im Berufungsverfahren noch um Zinsen auf titulierte Beitragsansprüche betreffend die Beitragszeiträume Mai 2011 bis August 2011 und Juni 2012 bis Dezember 2012 für den Zinszeitraum 01. Juli 2017 bis 31. Dezember 2017, nachdem das Arbeitsgericht Zinsen für den Zinszeitraum 01. Januar 2018 bis Ende März 2018 zugesprochen und die Klage bezüglich der Zinsansprüche für den Zinszeitraum vom 01. Juli 2017 bis zum 31. Dezember 2017 abgewiesen hat.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Der Beklagte, der keinem der tarifschließenden Verbände des Baugewerbes mitgliedschaftlich verbunden ist, unterhielt in den Kalenderjahren 2011, 2012 und 2013 einen baugewerblichen Betrieb in A. Mit Ablauf des Kalenderjahres 2013 endete die Beitragspflicht des Beklagten.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie auf die mit diesem in Bezug genommenen Aktenteile verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20. Dezember 2021 den Beklagten verurteilt, wegen der titulierten Beitragsansprüche betreffend die Beitragszeiträume Mai 2011 bis August 2011 und Juni 2012 bis Dezember 2013 Zinsen i.H.v. 641,47 EUR für den Zinszeitraum vom 01. Januar 2018 bis Ende März 2018 an den Kläger zu zahlen. Das Arbeitsgericht hat hierzu angenommen, dem Zinsanspruch stehe nicht entgegen, dass der Beklagte ab dem Jahr 2014 nicht mehr unter den Geltungsbereich des VTV fällt. Da es sich um die Folgen der verzögerten Erfüllung tarifvertraglicher Rechte handele, sei Anknüpfungszeitraum der Zeitpunkt der Entstehung der Rechte.

Weiterhin hat das Arbeitsgericht erkannt, dass der Zinsanspruch für den Zinszeitraum vom 01. Januar 2018 bis Ende März 2018 nicht verfallen ist. Die Mitteilung und Aufstellung der Forderung sei dem Beklagten im Kalenderjahr 2019 vor Ablauf der Verjährungsfrist zugegangen. Auch habe der Kläger auf die Forderung nicht verzichtet. Die gegebenenfalls falsche Mitteilung über den Kontostand des Beitragskontos stelle keine Verzichtserklärung dar. Darüber hinaus stünde § 4 Abs. 4 TVG sowohl einem Verzicht, als auch einer Verwirkung entgegen.

Den Zinsanspruch für den Zinszeitraum vom 01. Juli 2017 bis zum 31. Dezember 2017 in rechnerischer Höhe von 1.712,82 EUR hat das Arbeitsgericht wegen Verjährung abgewiesen, nachdem der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben hatte. Hierzu hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Verjährung richte sich nach § 21 Abs. 4 des VTV vom 28. September 2018. Diese Regelung sehe eine dreijährige Verjährungsfrist für alle Ansprüche vor, die nicht vor dem Jahr 2014 fällig geworden sind. Der Tarifwortlaut sei eindeutig. Mit der Neufassung vom 28. September 2018 sollte nach dem offensichtlichen Willen der Tarifvertragsparteien die Änderung der Verjährungsvorschriften so gelten, dass mit Ablauf des Jahres 2018 und mit dem Inkrafttreten der Änderung das Ende der vierjährigen Verjährungsfrist eintritt und dass für alle nach Ablauf des Jahres 2014 fällig gewordenen Ansprüche die dreijährige Verjährungsfrist gelten solle.

Das Arbeitsgericht meint, die Tarifvertragsparteien hätten deutlich gemacht, dass mit dem Inkrafttreten der Änderung des VTV zum 01. Januar 2019 die dreijährige Verjährungsfrist bezogen auf das Verjährungsende aller noch unverjährten Ansprüche unmittelbar Anwendung finden solle. Eine andere Betrachtung ergäbe sich auch nicht aus dem Gesetz zur ...

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