Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadenersatz wegen Insolvenzverschleppung. kein Schadensersatzanspruch auf Ersatz der nicht gezahlten Nettovergütung
Leitsatz (redaktionell)
Der Schadensersatzanspruch gegen den Vorstand einer Aktiengesellschaft wegen Insolvenzverschleppung ist auf Ersatz des Vertrauens, nicht des Erfüllungsschadens gerichtet (BGH 20.10.2008 - II ZR 211/07, DB 2009, 388). Deshalb kommt ein Schadensersatzanspruch auf Ersatz der nicht gezahlten Nettovergütung nicht in Betracht. Auch der Anspruch aus § 628 Abs. 2 BGB ist auf das Erfüllungsinteresse gerichtet.
Normenkette
BGB vom 30.06.2010 § 823 Abs. 2; AktG vom 30.06.2010 § 92 Abs. 2; BGB § 823 Abs. 2; AktG § 92 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Urteil vom 25.06.2009; Aktenzeichen 7 Ca 286/08) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 25. Juni 2009 – 7 Ca 286/08 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger nimmt den Beklagten als Vorstand einer insolventen Aktiengesellschaft auf Schadenersatz in Anspruch.
Der Kläger war seit Mai 2000 bei der A AG (Insolvenzschuldnerin), deren einziger Vorstand der Beklagte war, als Betriebsleiter zu einer Bruttomonatsvergütung von 3950,00 EUR beschäftigt. Für die Zeit ab Februar 2007 zahlte die Insolvenzschuldnerin keine Arbeitsvergütung mehr. Gleichwohl erbrachte der Kläger bis einschließlich April 2007 seine Arbeitsleistung. Bei einer Betriebsversammlung vom 30. April 2007 erklärte der Beklagte, dass die Insolvenzschuldnerin bis auf weiteres keine Gehälter mehr zahle. Mit Schreiben vom 2. Mai 2007 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung. Der Beklagte stellte für die Insolvenzschuldnerin am 4. Juni 2007 Insolvenzantrag. Das Insolvenzverfahren wurde am 24. Juli 2007 eröffnet.
Gegenüber der Insolvenzschuldnerin erwirkte der Kläger vor dem Arbeitsgericht Darmstadt unter dem Aktenzeichen 7 Ca 166/07 ein Urteil über die Zahlung von 27.650,00 EUR brutto (Vergütung von Februar bis August 2007 und Schadenersatz nach § 628 Abs. 2 BGB); insoweit wird das Blatt 17 bis 21 der Akten Bezug genommen. Hierauf leistete die Insolvenzschuldnerin keine Zahlungen.
Mit Bescheid vom 4. September 2007 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit dem Kläger Insolvenzgeld für den Zeitraum 4. Februar bis 3. Mai 2007 in Höhe der auf diesen Zeitraum entfallenden Nettoarbeitsvergütung von 6.685,63 EUR und zahlte diesen Betrag an den Kläger aus.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zahlung von Schadenersatz, der sich zusammensetzt aus den vom Arbeitsgericht Darmstadt in dem Verfahren 7 Ca 166/07 titulierten Bruttolohnansprüchen für die Monate Februar bis August 2007 in Höhe von 15.614,41 EUR netto abzüglich von der Bundesagentur für Arbeit geleisteter 12.451,18 EUR, woraus sich eine Forderung von 3163,23 EUR errechnet. Als weitere Schadenspositionen verlangt der Kläger die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 13.825 EUR. Ferner begehrt er die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der anfallenden Steuern aus dem Teilbetrag von 3163,23 EUR.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte hafte wegen Insolvenzverschleppung und vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegenüber dem Kläger auf Schadenersatz. Der Kläger hat behauptet, die Insolvenzschuldnerin sei bereits am 31. Dezember 2005 überschuldet gewesen. Spätestens Mitte des Jahres habe die Zahlungsunfähigkeit gedroht, so dass Anfang 2006 Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen. Der Beklagte habe in Kenntnis dieser Umstände sogar nach Eintritt der Insolvenzreife nicht nur die rechtzeitige Antragstellung unterlassen, sondern sogar noch vorhandene Vermögenswerte durch Verlagerung auf andere vom Beklagten geführte Gesellschaften und seine Ehefrau beiseite geschafft. Durch das Verhalten des Beklagten sei dem Kläger eine Ersatzanstellung entgangen, die er bei ordnungsgemäßer Stellung des Insolvenzantrags nahtlos gefunden hätte. Bei der Firma B, bei der er seit 15. Juni 2008 zu einer Vergütung von 2400,00 EUR brutto (ist gleich 1521,02 EUR netto) beschäftigt ist, wäre er bei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrags durch den Beklagten spätestens zum 1. Februar 2006 angestellt worden.
Der Kläger hat beantragt,
- den Beklagten zu verurteilen, an ihn 16.988,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
- festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, an ihn im Wege des Schadenersatzes den Betrag zu zahlen, der von ihm als Steuer auf einen Teilbetrag des im Antrag zu 1. genannten Betrages in Höhe von 3163,23 EUR – nach Maßgabe des Steuerbescheids für das Jahr, indem dieser Teilbetrag gezahlt wird – zu zahlen sein wird.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat behauptet, Insolvenzreife habe erst drei Wochen vor Antragstellung vorgelegen. Er ist der Auffassung, die vom Kläger geltend gemachten Positionen seien nach dem Schutzzweck der vom Kläger herangezogenen Normen nicht er...