Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbegründete Klage auf weitere Sozialplanabfindung bei unsubstantiierten Darlegungen des Arbeitnehmers zur Unzumutbarkeit auswärtiger Beschäftigung. Selbstwiderlegung des Arbeitnehmers durch Antritt einer auswärtigen Beschäftigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat die Einigungsstelle den Antrag des Arbeitnehmers auf eine weitere Sozialplanabfindung abgelehnt, reicht dazu eine Kurzbegründung aus, wenn der Einigungsstelle Betriebsratskollegen angehören und daher zu vermuten ist, dass die Belange des einzelnen Arbeitnehmers angesichts der persönlichen Kenntnis der Betroffenen sowie der betrieblichen Verhältnisse im Einzelnen erörtert wurden, insbesondere wenn das Gewicht der Beeinträchtigung des Arbeitnehmers bei weitem nicht so stark ist wie für Beschäftigte, die unter den Katalog einer deutlichen Regel-Ausnahmeregelung fallen und denen ein deutlich größeres Opfer abverlangt wird als eine einfache Härte und erst recht als die mit einem Arbeitsplatzwechsel stets verbundenen Einschnitte.

2. Die berufliche oder private Bindung der Ehefrau an den bisherigen Wohnort sowie schwer verkäufliches Immobilieneigentum sind auch nicht annähernd vergleichbar mit "absoluten" Unzumutbarkeitsgründen sondern typische Umstände, die einen Arbeitsortswechsel erschweren und regelmäßig in vergleichbarer Weise bei fast allen Beschäftigten vorliegen.

3. Der Arbeitnehmer widerlegt seine eigenen Darlegungen zur Unzumutbarkeit des Pendeln zu der ihm von der Arbeitgeberin angebotenen auswärtigen Arbeitsstätte durch das Antreten einer neuen Arbeitsstelle in nicht geringerer Entfernung als die zuvor abgelehnte Stelle.

 

Normenkette

BetrVG §§ 112, 112 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Darmstadt (Entscheidung vom 15.03.2012; Aktenzeichen 10 Ca 155/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 15. März 2012, Az. 10 Ca 155/11, wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten auch zweitinstanzlich über die Zahlung einer weiteren Sozialplanabfindung.

Der Kläger ist verheiratet und zwei Kindern unterhaltspflichtig, die im September 2010 acht und 12 Jahre alt waren. Zum Beginn des Jahres 2011 trat er eine neue Stelle in Kaiserslautern an.

Der Kläger war vom 01.07.2001 bis 31.12.2010 im Betrieb der Beklagten am Standort A beschäftigt; sein Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung.

Die Beklagte führte entsprechend ihrem Verlegungskonzept eine Verlagerung des Betriebs A an den Standort durch. "Zum Ausgleich und zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile" der rund 170 von der Verlegung betroffenen Mitarbeiter stellte die Einigungsstelle durch Spruch vom 16.09.2010 einen Sozialplan auf, wie er als Anlage K 2 zur Klageschrift vorliegt (Blatt 17 ff der Akte).

Der Antrag des Betriebsrats der Beklagten, festzustellen, dass der Einigungsstellenspruch unwirksam sei, ist rechtskräftig durch Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 16.02.2011 zurückgewiesen worden (4 BV 31/10, Anlage B5 zur Klageerwiderung vom 27.07.2011, Blatt 127 ff der Akte).

Mit Schreiben vom 26.09.2010 (Anlage K 3 zur Klageschrift, Blatt 31 f der Akte) machte der Kläger die Unzumutbarkeit seines Wechsels nach B nach § 7 Ziffer 2 des Sozialplans geltend. Nachdem weder Beklagte noch paritätische Kommission eine Unzumutbarkeit anerkannt hatten, entschied die Einigungsstelle am 02.11.2011 über den Antrag des Klägers sowie weitere 36 Anträge; wegen des Protokolls und des Spruchs der Einigungsstelle wird auf die Anlagen B20 und 21 (Blatt 370 ff der Akte) zum Schriftsatz der Beklagten vom 19.01.2012 Bezug genommen. Die Beklagte zahlte die dem Kläger danach zuerkannte Abfindung von 6.708,65 € brutto am 30.11.2011 an diesen aus.

Der Kläger hat gemeint, ihm stehe eine weitere Abfindung in Höhe der Differenz zur vollen Abfindung nebst Zinsen seit 01.01.2011 gemäß § 8 des Sozialplans zu.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn

1. 49.541,35 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.12.2011 zu zahlen;.

2. 2.694,35 € zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Von einer wiederholenden Darstellung weiterer Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 II ArbGG abgesehen und auf den ausführlichen Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Blatt 407 ff der Akte) verwiesen.

Das Arbeitsgericht Darmstadt hat mit Urteil vom 15.03.2012 die Klage - mit Ausnahme des nicht mehr streitigen, titulierten Zinsbetrags für die Teilabfindung - für unbegründet erachtet, da die Voraussetzungen von §§ 7 und 8 des Sozialplans nicht erfüllt seien; wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Blatt 412 ff der Akte) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Hinsichtlich der für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erheblichen Daten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 07.03.2013 (Blatt 589 der Akte) verwiesen.

Der Kläger hält...

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