Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörung des Personalrats
Leitsatz (amtlich)
Ausnahmsweise muß ein zwischen Anhörungsschreiben an den Personalrat zur beabsichtigten außerordentlichen Verdachtskündigung und nachfolgendem Ausspruch einer Tatkündigung erfolgtes Eingeständnis des Arbeitnehmers, die Tat, deren er verdächtigt war, ganz oder teilweise begangen zu haben, dem Personalrat dann nicht mehr als notwendige Anhörungsergänzung mitgeteilt werden, wenn Verdacht und (Teil-)Eingeständnis sich auf den gleichen, dem Personalrat bereits bekannten Vorwurfssachverhalt beziehen.
Normenkette
HessPersVG § 77
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.10.1993; Aktenzeichen 3 Ca 2733/93) |
Tenor
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 14.10.1993 – 3 Ca 2733/93 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der vom beklagten Land durch die Verwaltungsdirektorin des Klinikums der J.W. G.-U. mit Schreiben vom 24.03.1993 – der Klägerin zugegangen am gleichen Tage – ausgesprochenen außerordentlichen und fristlosen Kündigung.
Die 1941 geborene Klägerin ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne (Studenten), denen sie bis zur Kündigung monatliche Unterstützungen in Höhe von 700,– bzw. 1.200,– DM gewährte. Sie ist seit 1982 in der Bundesrepublik eingebürgert (Bl. 174 der PersA).
Sie arbeitete seit Oktober 1969 als Krankenschwester im o.a. Klinikum, zuletzt seit 1979 als Zweitschwester auf einer allgemeinen inneren Krankenstation (B 8) mit den Schwerpunkten Gastroenterologie und Hämatologie/Onkologie. Zu ihren Aufgaben gehörte schwerpunktmäßig u.a. der vorschriftsmäßige Umgang und die Ausgabe von zytostatischen Medikamenten (Zeugnis vom 16.06.1993, Bl. 22 d. A.).
In einem Vermerk vom 17.03.1993 unterrichtete die seit August 1992 als Stationsleitung eingesetzte Frau P.-S. -M. die Pflegedienstleitung über die „horrende Kostenentwicklung” auf dieser Station und den dortigen „immensen Medikamentenverbrauch”. Sie machte ferner ihren Verdacht deutlich, auf dieser Station würden Medikamente – insbesondere von der Klägerin – entwendet (Bl. 28–31 d. A.).
Daraufhin teilte die Pflegedienstleitung der zu diesem Zeitpunkt noch arbeitsunfähig krankgeschriebenen Klägerin unter Angabe von näheren Einzelheiten mit, sie stünde unter dringendem Tatverdacht der Entwendung von Klinikeigentum und möge hierzu bis zum 24.03.1993 schriftlich Stellung nehmen (Bl. 32, 33 d. A.).
Daraufhin erklärte die Klägerin in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 23.03.1993, sie habe für eine koreanische „Landsfrau”, die – mittellos und todkrank – von ihr habe gepflegt werden müssen, eine Flasche Sandimmun, 10 Supp. Anusol, 3 Beutel Fluimucil und 2 Tabletten Benuron gebraucht und das ihren Stationskolleginnen auch gesagt. Sie habe die Absicht gehabt, diese am 03.03.1993 erhaltenen Medikamente nach Gebrauch wieder an ihren Platz zurückzulegen.
Den ihr vorgehaltenen, von ihr während ihres Krankenstandes am 06.03.1993 ausgefüllten Apothekenschein (Bestellung) habe sie auf Bitten einer Kollegin von einer anderen Station, die diese Medikamente dort benötigte, geschrieben.
Sie habe ihrer koreanischen Landsfrau aus reiner Nächstenliebe geholfen und auch deren Rückflugkosten nach Korea in Höhe von 1.700,– DM übernommen (Bl. 34, 35 d. A.).
Mit Schreiben vom 19.03.1993 unterrichtete die Verwaltungsdirektorin den Personalrat über den bis dahin von der Pflegedienstleitung ermittelten und der Klägerin zur Stellungnahme unterbreiteten (Bl. 30, 32 d. A.) Sachverhalt (Bl. 39 d. A.).
Zugleich verwies sie darauf, die Klägerin stehe unter dem dringenden Tatverdacht des Diebstahls von Klinikeigentum. Es sei beabsichtigt, ihr „aufgrund des o.a. Sachverhalts außerordentlich zu kündigen” (Bl. 39, 40 d. A.).
Ebenfalls noch am 19.03.1993 erstattete die Verwaltungsdirektorin Strafantrag gegen die Klägerin, wobei sie darauf hinwies, allein die von der Pflegedienstleitung als entwendet ermittelten Medikamente beliefen sich auf einen Wert von ca. 10.000,– DM; vermutlich sei der Schadensumfang wesentlich höher (Bl. 37 d. A.).
Am 23.03.1993 hörte der Personalrat die Klägerin zu den Vorwürfen an (Bl. 51 d. A.).
Noch während des Laufs der Personalratssitzung rief dann die Personalratsvorsitzende, Frau I., den Personalabteilungsleiter F. an und fragte nach „den weiteren Konsequenzen” in Sachen der Klägerin (Bl. 43 d. A.). Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin in einer mündlichen Anhörung gegenüber der Arbeitgeberseite ebenfalls am 23.03.1993 eingeräumt, die im einzelnen in einer hierüber gefertigten Liste (Bl. 36 d. A.) aufgeführten Medikamente „mitgenommen” zu haben.
Der Personalleiter F. unterrichtete in diesem Telefonat die Personalratsvorsitzende alsbald darüber, die Klägerin habe die Entwendung von Medikamenten inzwischen eingeräumt. Die Kündigung werde infolgedessen auf „Tatausführung” gestützt (Bl. 43 d. A.).
Mit Schreiben vo...