Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen des Anspruchs auf Annahmeverzugslohn. Anrechnung böswillig unterlassenen Zwischenverdienstes
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist einem Arbeitnehmer, der nach Veräußerung des Teilbetriebs, in dem er beschäftigt ist, dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber widersprochen hat, zumutbar, für eine Übergangszeit an seinem ursprünglichen Arbeitsplatz als Leiharbeitnehmer tätig zu werden.
2. Verweigert er eine solche Tätigkeit, so muss er sich bei Geltendmachung seines Anspruchs auf Annahmeverzugslohn denjenigen Verdienst anrechnen lassen, den er als Leiharbeitnehmer hätte erzielen können.
Normenkette
BGB § 615 Sätze 1-2, §§ 242, 611a Abs. 2, § 613a; EFZG § 3; BUrlG §§ 8, 11
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 21.01.2020; Aktenzeichen 3 Ca 329/19) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 21. Januar 2020, Az. 3 Ca 329/19, teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.566,27 EUR (in Worten: Zweitausendfünfhundertsechsundsechzig und 27/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. August 2019 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 240,91 EUR (in Worten: Zweihundertvierzig und 91/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. November 2019 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Klägerin zu tragen. Die Kosten der Berufung haben die Klägerin zu 91% und die Beklagte zu 9 % zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren über Entgeltfortzahlungs-, Urlaubsentgelt- und Verzugslohnansprüche sowie um weitere Ansprüche auf Zahlung eines tariflichen Urlaubsgeldes sowie einer tariflichen Jahressonderleistung.
Die Klägerin ist bei der Beklagten, die Teil des A-Konzerns ist, beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien (Bl. 3ff. der Akte), der unter § 4 eine Versetzungsklausel enthält, verweist insbesondere auf den Manteltarifvertrag für die chemische Industrie in der jeweils aktuellen Fassung (im Folgenden: der MTV) sowie auf den Tarifvertrag über Einmalzahlungen und Altersvorsorge vom 18. September 2001 in der Fassung vom 20. September 2018 (im Folgenden: der TVEA). Die Klägerin ist in die tarifliche Entgeltgruppe EG 10 eingruppiert. Ihr tarifliches Bruttomonatsgehalt beläuft sich auf 4.611,- EUR zzgl. einer Leistungszulage in i.H.v. 224,- EUR, d.h. auf insgesamt 4.835,- EUR.
Die Beklagte beschäftigte die Klägerin seit Dezember 2015 auf der Stelle „Senior Referent Cost Accounting“, um die die Klägerin sich erfolgreich beworben hatte, und setzte sie im Bereich „Financial Services“, welcher Dienstleistungen für konzernangehörige Unternehmen erbringt, ein. Ab dem Jahr 2017 wurde die Stelle der Klägerin von der Beklagten als „Sachbearbeiterin Standard-K“ bezeichnet, wobei die von der Klägerin erbrachte Tätigkeit unverändert blieb.
Ab dem 1. Oktober 2018 bildete die Beklagte zum Zwecke der beabsichtigten Ausgliederung und Veräußerung der Geschäftsgebiete B, C, D und Teilen des Geschäftsgebiets E nebst Support-Funktionen einen so genannten B-Verbund und schloss hierzu mit ihrem Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung (im Folgenden: die GBV), wegen deren Inhalt auf Bl. 125 ff. der Akte verwiesen wird. Im Zuge dessen wies die Beklagte die Klägerin zum 1. Oktober 2018 an, fortan ihre Tätigkeit im Bereich „Financial Services“ für den B-Verbund anstelle der ihr bisher zugeordneten konzerninternen Kunden zu erbringen. Dem kam die Klägerin nach.
Im März 2019 veräußerte die Beklagte den B-Verbund an einen Investor. Die Veräußerung sollte mit Ablauf des 31. Juli 2019 vollzogen werden.
Mit Schreiben vom 17. Mai 2019 (Bl. 18 ff. der Akte) unterrichtete die Beklagte die Klägerin über einen voraussichtlich mit Ablauf des 31. Juli 2019 anstehenden Betriebsteilübergang bzgl. des B-Verbundes an eine andere Gesellschaft (im Folgenden: die F-GmbH), deren Geschäftsanteile zum genannten Zeitpunkt an den Investor übertragen würden, und einen damit anstehenden Übergang ihres Arbeitsverhältnisses an die F-GmbH gemäß § 613a BGB.
Die Klägerin widersprach dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses.
Mit Schreiben vom 15. Juli 2019 (Bl. 34 f. der Akte) unterrichtete die Beklagte die Klägerin über eine Vereinbarung mit dem Erwerber des B-Verbundes, nach der im Falle des Widerspruchs von Mitarbeitern dieses Betriebsteils gegen einen Betriebsübergang die hierdurch entstehende Vakanz im Wege einer auf zwölf Monate befristeten Überlassung dieser Mitarbeiter kompensiert werden sollte. Sie bot der Klägerin an, auf dem aufgrund ihres Widerspruchs gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses entstandenen Leiharbeitsplatz für die Dauer von 12 Monaten vom 1. August 2019 bis zum 31. Juli 2020 als Leiharbeitnehmerin tätig zu werden und w...