Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer gerichtlichen Ersatzleistungsbestimmung hinsichtlich eines durch Betriebsvereinbarung geregelten Bonus
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Ersatzleistungsbestimmung hinsichtlich eines durch Betriebsvereinbarung geregelten Bonus nach § 315 Abs. 3 S. 2 Alt. 1 BGB darf durch die Gerichte nicht getroffen werden, wenn der zu zahlende Bonus aufgrund einer Formel zu ermitteln ist, bei der nur ein Faktor von der Beklagten nach billigem Ermessen bestimmt werden kann (Unternehmensfaktor), aber nicht dieser, sondern die anderen Faktoren zwischen den Arbeitsvertragsparteien streitig sind. In diesem Fall haben sich die Parteien der Vertragshilfe des § 315 BGB für den zu zahlenden Bonus nur insoweit unterworfen, als dieser von dem nach billigem Ermessen festzulegenden Faktor abhängt.
2. Dem Gericht ist in diesem Fall verwehrt, den Leistungsfaktor für die Bonusfestsetzung seinerseits nach billigem Ermessen zu ermitteln, wenn im Betrieb der Beklagten eine Gesamtbetriebsvereinbarung besteht, die die Leistungsbewertung dezidiert regelt. Insoweit ist bereits zweifelhaft, ob eine Leistungsbewertung mit einer Endnote überhaupt ein Fall der Ermessensausübung sein kann. Jedenfalls scheidet die Festsetzung des Leistungsfaktors durch das Gericht nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB aus, wenn die Betriebspartner Regelungen für die Feststellung des Leistungsfaktors getroffen haben.
3. Regelt eine Gesamtbetriebsvereinbarung sowohl die Leistungsbewertung mit einer feststehenden Note als auch die arithmetische Ermittlung des Bonus aufgrund einer Formel mit verschiedenen weiteren Faktoren und wird aufgrund eines Delegationsbeschlusses des Gesamtbetriebsrats die Leistungsbewertung für die Zukunft abweichend durch eine Konzernbetriebsvereinbarung geregelt, bleibt aber die Gesamtbetriebsvereinbarung im Übrigen in Kraft gilt folgendes: Ist die in der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehene Bewertung des Mitarbeiters vor dem Hintergrund der abgeschlossenen Konzernbetriebsvereinbarung nicht erfolgt und regelt die Gesamtbetriebsvereinbarung nicht, wie der Bonus in diesem Fall ermittelt wird, darf diese Regelungslücke nicht durch die Gerichte für Arbeitssachen geschlossen werden. Eine solche Lückenschließung darf insbesondere nicht dadurch erfolgen, dass eine grundsätzlich anders geregelte Leistungsbewertung aus der Konzernbetriebsvereinbarung in die in der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehene Formel „überführt“ wird (a.A. LAG Hessen 19. August 2019-7 Sa 1160/18, LAG Hessen 19. August 2019-7 Sa 1162/18, LAG Hessen 7 Sa 1298/18), weil verschiedene Arten der Lückenschließung denkbar sind.
4. Hält man die verbliebene Gesamtbetriebsvereinbarung nicht aus dem Rechtsgedanken des § 139 BGB für insgesamt unwirksam, scheidet ein Bonusanspruch des Arbeitnehmers gleichwohl aus, wenn dessen Höhe nicht ermittelt werden kann, ohne die Regelungsautonomie der Betriebspartner zu verletzen.
Normenkette
BGB § 315 Abs. 1, 3, § 139
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 27.02.2019; Aktenzeichen 18 Ca 6371/18) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27. Februar 2019 – 18 Ca 6371/18 – teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten auch in der Berufungsinstanz noch um Ansprüche des Klägers auf Bonuszahlungen für die Kalenderjahre 2014, 2015 und 2016. Der Kläger war vom 15. Juli 1999 bis zum 31. Dezember 2016 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt, zuletzt aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrags von Dezember 2008 (Bl. 9 ff. d. A.).
Ziff. 4 des Vertrags lautet auszugsweise:
„(…). Darüber hinaus erhält Herr A auf Grundlage der jeweils gültigen Betriebsvereinbarung (derzeit „Betriebsvereinbarung zur Leistungs- und Entwicklungsbewertung -Performance and Development Review (PDR) vom 17. Oktober 2005) als freiwillige variable Vergütung einen auf das Geschäftsjahr bezogenen Bonus, der jeweils im Frühjahr des Folgejahres gewährt wird. Die Gewährung des Bonus steht unter der Bedingung eines ungekündigten Anstellungsverhältnisses am Auszahlungstag. Gemäß der derzeit gültigen Betriebsvereinbarung orientiert sich der Bonus am geschäftlichen Ergebnis der Bank und des Einsatzbereiches, der individuellen Bewertung von Herrn A nach PDR und einem von ihm maximal zu erreichenden Bonus. (…)“
Die Gesamtbetriebsvereinbarung zur Leistungs- und Entwicklungsbewertung -Performance and Development Review (PDR) vom 17. Oktober 2005 (künftig GBV PDR) regelt in Ziff. 1-3 neben dem Geltungsbereich die Bewertungsgrundlage, die Festlegung der Leistungsziele und des Entwicklungsbedarfs sowie die Überprüfung der Leistungs- und Entwicklungsziele und die Leistungsbewertung. Hiernach erfolgt die Bewertung der Leistung und Entwicklung der Mitarbeiter aufgrund eines Formulars, das seinerseits Anlage und Bestandtei...