Entscheidungsstichwort (Thema)
Versetzung von nicht freigestellten Betriebsratsmitgliedern
Leitsatz (amtlich)
1. § 37 Abs. 5 BetrVG kommt wegen seines Zusammenhangs mit Abs. 4 auch im Verhältnis zu § 78 Satz 2 BetrVG ein eigenständiger Norm- Charakter zu.
2. Nach seinem Schutzzweck dient er allgemein dazu, Persönlichkeitsrechte von BR-Mitgliedern zu wahren und sie vor Diskriminierung oder gar Disziplinierung durch Zuweisung geringerwertiger Tätigkeiten zu schützen. Er sichert BR-Mitglieder auch davor, bei gleichem Entgelt mit geringerwertigeren Tätigkeiten als vergleichbare Arbeitnehmer beschäftigt zu werden.
3. § 37 Abs. 5 BetrVG enthält zugunsten der nicht freigestellten BR-Mitglieder eine partielle Versetzungssperre. Ihnen dürfen geringerwertigere Tätigkeiten, als sie von vergleichbaren Arbeitnehmern auszuüben sind, im Wege einer Versetzung nur zugewiesen werden, wenn dies einzelvertraglich zulässig und durch zwingende betriebliche Notwendigkeiten geboten ist.
4. Liegen diese Voraussetzungen vor, so kann diese Versetzung gleichwohl rechtswidrig sein, wenn das BR-Mitglied mit dieser Maßnahme wegen seiner BR-Tätigkeit benachteiligt wird. Im übrigen setzt der Schutz aus § 37 Abs. 5 BetrVG gegen Versetzung den Tatbestand des § 78 Satz 2 BetrVG nicht voraus.
5. § 37 Abs. 5 BetrVG hindert eine Versetzung eines BR-Mitglieds dann nicht, wenn diese Maßnahme einzelvertraglich möglich ist und die neu zugewiesene Tätigkeit nach Entgelt und Aufgabenstellung derjenigen vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung gleichwertig ist.
6. Die Gleichwertigkeit der zugewiesenen Tätigkeit beurteilt sich nach der in den beteiligten Berufsgruppen herrschenden Verkehrsauffassung (Selbsteinschätzung der beteiligten Arbeitnehmer-Gruppen). Ob daneben auch auf einen eventuell strengeren Maßstab gemäß den Anschauungen der im Betrieb Beschäftigten abzustellen ist, bleibt offen.
7. Eine „zwingende betriebliche Notwendigkeit” für eine Versetzung kann an sich auch aus einem provozierenden, die Autorität eines direkten Vorgesetzten untergrabenden Fehlverhalten eines BR-Mitglieds folgen, wenn dadurch die zwischen beiden erforderliche Vertrauensgrundlage zerstört und deshalb die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses nachhaltig gestört ist.
8. Eine Versetzung in eine nicht gleichwertige Tätigkeit ist aber auch bei einer derartigen Störung des Arbeitsverhältnisses nicht zwingend notwendig, solange der Arbeitgeber dem BR-Mitglied einen anderweitigen Arbeitsplatz mit gleichwertigen Aufgaben zuweisen kann.
Beruft sich der Arbeitnehmer darauf und legt er hierzu Einzelheiten dar, muß der Arbeitgeber seinerseits im einzelnen darlegen, daß und ggfs. warum die Zuweisung eines gleichwertigen Arbeitsplatzes nicht möglich oder unzumutbar sei.
9. Grundsätzlich muß ein Arbeitgeber, der ein BR-Mitglied wegen zwingender betrieblicher Notwendigkeiten mangels eines anderweitigen freien gleichwertigen Arbeitsplatzes (zunächst) auf einen nicht gleichwertigen versetzt hat, eine Weiterversetzung auf einen später freiwerdenden gleichwertigen Arbeitsplatz vornehmen, sobald dieser wieder besetzbar ist.
10. Macht ein BR-Mitglied im Prozeß um die Wirksamkeit einer Versetzungsmaßnahme die Beschäftigung auf einem bestimmten „gleichwertigen” Arbeitsplatz geltend, so muß er ausdrücklich verlangen, daß dieser Arbeitsplatz freigemacht werde, wenn dieser Platz dem BR-Mitglied pflichtwidrig zunächst nicht versetzungsweise vom Arbeitgeber angeboten worden war, aber zwischenzeitlich wieder neu besetzt ist.
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 5
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bad Hersfeld von 22.08.1985 – 1 Ca 196/85 – teilweise abgeändert.
Auf den weiteren Hilfsantrag des Klägers wird festgestellt, daß dessen Versetzung vom 29.03.1985 in den Bereich „Gue/ Vorfert” (Kostenstelle 33 460) rechtsunwirksam war.
Im übrigen werden die Berufung zurück- und die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 3/5 und die Beklagte 2/5.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung des Klägers.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der 30-jährige Kläger ist seit 1971 zunächst als Auszubildender und – nach bestandener Abschlußprüfung – als Elektromechaniker/Elektronik seit Januar 1975 bei der Beklagten beschäftigt. Wegen der Einzelheiten der von ihm bei der Beklagten absolvierten Ausbildung wird auf die Darstellung des Ausbildungsganges (Bl. 116, 126 ff, 134 d.A.) verwiesen. Im Arbeitsvertrag erklärte er sich u. a. mit einer „eventuellen Versetzung” einverstanden (Bl. 24 d.A.).
Ab Januar 1975 war der Kläger zunächst im Prüfgeräte bau beschäftigt. Er leistete dann von Januar 1976 bis Ende März 1977 seinen Grundwehrdienst ab und war von April bis Ende Juni 1977 wieder im Prüfgerätebau eingesetzt. Ab Juli 1977 arbeitete er im Geräteprüffeld FS, zuletzt mit der SAB-Lohngruppe 8, bis zum 13.2.1985. Mit Wirkung...