Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersteilzeit. Voraussetzungen für Ablehnung von Altersteilzeit nach § 4 Abs. 3 TVFlexAZ
Leitsatz (amtlich)
§ 4 Abs. 3 TVFlexAZ setzt - anders als § 2 Abs. 3 TV ATZ- nicht voraus, dass es sich um dringende dienstliche oder betriebliche Gründe handelt. Damit haben die Tarifvertragsparteien die Anforderungen an das Gewicht der Ablehnungsgründe gesenkt. Es muss sich nicht um gewichtige, gleichsam zwingende Gründe handeln. Aus der Einschränkung "ausnahmsweise" folgt, dass die Ablehnung nur auf dienstliche und betriebliche Gründe gestützt werden kann, die über die typischen, regelmäßig mit einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis verbundenen Belastungen hinausgehen müssen.
Normenkette
TVFlexAZ § 2 Abs. 3, § 4 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 11.04.2012; Aktenzeichen 3 Ca 2165/11) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 11. April 2012 - 3 Ca 2165/11 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Stadt verpflichtet ist, mit dem Kläger einen Altersteilzeitarbeitsvertrag gemäß dem Tarifvertrag zur Regelung flexibler Arbeitszeiten für ältere Beschäftigte (TV-FlexAZ) - Gemeinden abzuschließen.
Der am A geborene Kläger ist seit 1991 bei der Beklagten als Sozialpädagoge im Gesundheitsamt beschäftigt. Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft B, die Beklagte ist Mitglied im C.
Am 30. April 2007 gab der Magistrat der Beklagten eine Verfügung mit der Überschrift "Voraussetzungen für die Vereinbarung von Altersteilzeitarbeitsverhältnissen" heraus. Darin wird unter Hinweis auf das Altersteilzeitgesetz und den Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom 5. Mai 1998 (im Folgenden: TV ATZ) erläutert, welche Voraussetzungen und welche Folgen die Inanspruchnahme von Altersteilzeit nach dem TV ATZ hat. Im Anschluss daran heißt es:
"Nach den Auflagen der Aufsichtsbehörde zum Haushaltsplan darf die Stadt im Verwaltungshaushalt nur Aufgaben leisten, zu denen sie rechtlich verpflichtet ist oder die bei Anlegung strengster Maßstäbe dringend erforderlich sind.
Aus diesem Grunde können Anträge auf Vereinbarung oder Bewilligung von Altersteilzeit nur dann genehmigt werden, wenn
- vor Beginn der Altersteilzeit (Arbeitsphase) das 60. Lebensjahr bereits vollendet ist oder
- die Planstelle des Mitarbeiters dauerhaft wegfällt."
Wegen des weiteren Inhalts der Verfügung wird auf Bl. 46 d. A. Bezug genommen.
Aufgrund der positiven Ergebnisse in den Jahren 2007 und 2008 konnte die Beklagte eine Rücklage bilden. Das Defizit des Jahres 2009 in Höhe von 59,2 Mio. Euro wurde aus der Rücklage gedeckt. Am 17. Dezember 2009 beschloss die Stadtverordnetenversammlung den Doppelhaushalt für die Jahre 2010/2011, der für jedes Jahr einen Fehlbedarf in Höhe von ca. 100 Mio. Euro einplante. Das Defizit sollte aus der Rücklage gedeckt und diese damit nahezu verbraucht werden. Für die Finanzplanungsjahre 2012 bis 2014 wurden weitere Defizite prognostiziert. Am 17. Dezember 2009 verfügte der Oberbürgermeister, dass in der Zeit bis zum Inkrafttreten des Haushaltsplans nur solche finanzielle Leistungen erbracht werden könnten, zu denen die Stadt rechtlich verpflichtet sei oder die für die Weiterführung notwendiger Aufgaben unaufschiebbar seien; neue Verpflichtungen dürften nur eingegangen werden, wenn dazu eine Rechtspflicht oder eine unaufschiebbare Notwendigkeit bestehe. Aufgrund der Defizite genehmigte das Hessische Ministerium des Innern und für Sport den Doppelhaushalt 2010/2011 durch Erlass vom 11. Januar 2011 (Bl. 113 - 120 d. A.) mit u.a. folgenden Auflagen:
2. Auf Personalkosteneinsparungen ist weiterhin kontinuierlich hinzuwirken. Notwendige Neubesetzungen bzw. Beförderungen oder Höhergruppierung sollten nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt vorgenommen werden. Die diesbezüglichen Regelungen im Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 25. März 2010 ("Leitplanken") sind konsequent umzusetzen. Ein unabweisbarer Mehrbedarf ist in erster Linie durch interne Versetzungs- bzw. Organisationsmöglichkeiten auszugleichen. Die zahlungswirksamen Personalaufwendungen sollten das entsprechende Ergebnis des Haushaltsjahres 2009 nicht überschreiten. ....
4. Es dürfen nur Auszahlungen geleistet werden, zu denen die Stadt rechtlich verpflichtet ist oder die bei Anlegung strengster Maßstäbe dringend erforderlich sind. Bei allen Pflichtleistungen sind Ermessensspielräume für Einsparungen zu nutzen. ....
Der in dem Erlass in Bezug genommene Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 25. März 2010 regelt u.a. Wiederbesetzungssperren, um den Personalzuwachs zu begrenzen. Danach gilt für alle Wiederbesetzungen bei der Beklagten grundsätzlich eine Wiederbesetzungssperre von zwei Monaten. Hat ein Dezernat eine "rote Ampel" im Personalbudget und eine "rote Ampel" im Dezernatsbudget, so gilt in der Regel eine Wiederbesetzungssperre von sechs Monaten. Ausnahmen sind res...