Entscheidungsstichwort (Thema)
Indizwirkung für § 22 AGG bei Rekrutierung junger Talente auf Homepage. Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers für Nichtverletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Ausrichtung auf junge Bewerber keine unternehmerische Selbstbeschreibung
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung kann ein Indiz iSd. § 22 AGG für die Benachteiligung des Bewerbers wegen seines Alters im Bewerbungsverfahren darin liegen, dass die für das streitgegenständliche Bewerbungsverfahren zuständige Mitarbeiterin/ der zuständige Mitarbeiter nach den auf der Homepage des Arbeitgebers veröffentlichten Angaben für die "Rekrutierung von Juniorpositionen" zuständig war und sich "schwerpunktmäßig um die Rekrutierung junger Talente für den direkten Einstieg ins Berufsleben" gekümmert hat.
In diesen Angaben liegt keine Selbstbeschreibung des Unternehmens gemäß der Entscheidung 8 AZR 604/16.
Bei bestehender Vermutung einer Benachteiligung durch den Arbeitgeber, trägt dieser die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt ist.
Normenkette
AGG §§ 1, 3, 7, 15, 22, 6 Abs. 1 S. 2; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 16.12.2019; Aktenzeichen 3 Ca 1181/19) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 2019 – 3 Ca 1181/19 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters.
Der am xx.xx.1972 geborene Kläger hat 1999 eine Ausbildung zum Bürokaufmann und 2008 ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule als Diplom-Betriebswirt mit den Schwerpunkten Wirtschaftsrecht, Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung erfolgreich abgeschlossen. Hinsichtlich seiner schulischen und beruflichen Qualifikationen wird im Übrigen Bezug genommen auf seinen Lebenslauf vom 18. September 2018, BI. 46a f. d. A..
Die Beklagte ist ein Unternehmen des weltgrößten Nahrungsmittelkonzerns (Jahresgewinn im Jahr 2017 iHv. 7,538 Mrd. CHF). Bei ihr wird vor und bei Einstellungen ein bei ihr installiertes Rekrutierungsteam tätig. Bei geplanten Einstellungen wendet sich der Fachbereich, der eine Stelle besetzen möchte, intern an das Rekrutierungsteam und in einem gemeinsamen Gespräch werden das genaue Stellenprofil, die Anforderungen und die Rekrutierungsstrategie definiert, d.h. ob online oder über Fachportale ausgeschrieben wird, ob ein Headhunter eingeschaltet wird.
Das Rekrutierungsteam der Beklagten ist im Jahr 2018 jedenfalls mit Frau A, die für die Anwerbung und Betreuung von Praktikanten zuständig gewesen ist, und mit Frau B, die für die Anwerbung und Betreuung von Auszubildende zuständig gewesen ist, besetzt gewesen. Bei dauerhaft zu besetzenden Arbeitsplätzen haben sich in dem Team Frau C, Frau D und zumindest bis Mitte August 2018 Herr E um die Bewerber gekümmert. Eine weitere offene Stelle im Team ist erst im Februar 2019 wiederbesetzt worden.
Im Zusammenhang mit einer zu besetzenden Stelle in der Steuerabteilung der Beklagten hat sich deren Leiter, F, an das Rekrutierungsteam gewendet.
Anschließend hat die Beklagte auf der Online- Jobplattform xxxx.de eine Stellenausschreibung für die Stelle eines „Steuerreferenten mit Schwerpunkt Kaffeesteuer (m/w/divers)" veröffentlicht. Darin heißt es u.A.:
„Damit überzeugen Sie uns:
- Basis ist ein erfolgreicher Abschluss als Betriebswirt IHK (m/w/divers), Steuerfachwirt (m/w/divers) oder Steuerfachangestellter (m/w/divers)
- Aufgrund Ihrer Berufserfahrung sind Sie in verschiedenen Steuerbereichen versiert“
Weiter ist die Mitarbeiterin C der Beklagten als Ansprechpartnerin für die ausgeschriebene Stelle benannt, wegen der Einzelheiten der Ausschreibung wird auf Bl. 4 d. A. Bezug genommen.
Der Kläger hat sich mit Schreiben vom 18. September 2018 bei der Beklagten auf die Stelle beworben. Das Schreiben hat er an Frau C gerichtet, insoweit wird auf BI. 3 d. A. Bezug genommen.
Ausweislich der vom Kläger am 18. September 2018 abgerufenen Homepage der Beklagten ist die Mitarbeiterin C zu diesem Zeitpunkt zuständig gewesen für die „Rekrutierung Juniorpositionen" und sie hat sich „schwerpunktmäßig um die Rekrutierung junger Talente für den direkten Einstieg ins Berufsleben" gekümmert. Insgesamt sind auf der Homepage fünf Personen im Rekrutierungsteam ausgewiesen, nämlich E, D, C, A und B wegen der Einzelheiten der Homepage wird auf Bl. 64 ff d. A. Bezug genommen.
Auf dem bei der Beklagten verbliebenen Bewerbungsschreiben des Klägers findet sich der handschriftliche Vermerk: „Keine Berufserfahrung“, insoweit wird auf Bl. 46c d. A. Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 12. Oktober 2018 hat die Beklagte die Bewerbung des Klägers abgelehnt ohne konkrete Gründe anzugeben, wegen der Einzelheiten des Ablehnungsschreibens wird auf Bl. 5 d. A. verwiesen.
Die Beklagte hat die ausgeschriebene Stelle an eine interne Mit...