Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsstellung eines Schwerbehindertenbewerbers im Rahmen einer Stellenausschreibung bei einer Bank. Rechtsfolgen unterbliebener Heranziehung der Bundesagentur für Arbeit und der Benachrichtigung der Schwerbehindertenvertretung wegen der Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen. Zulässigkeit der Vorsortierung der Bewerbungen nach „einschlägigen und aktuellen Berufserfahrungen“
Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Arbeitgeber bei einer Stellenausschreibung weder die Bundesagentur für Arbeit herangezogen noch die Schwerbehindertenvertretung benachrichtigt, als sich eine schwerbehinderte Person auf die Stelle beworben hat (vgl. § 164 Abs. 1 Satz 2 und 4 SGB IX), so stellen diese Umstände Indizien dar, die für einen Kausalzusammenhang i.S.d. § 22 AGG zwischen dem Merkmal der Schwerbehinderung und der Ablehnung im Bewerbungsverfahren sprechen.
2. Der Arbeitgeber kann der einmal begründeten Indizwirkung entgegensetzen, dass er ein objektives, für sich genommen nicht benachteiligendes Auswahlverfahren durchgeführt und konsequent zu Ende geführt hat, in dem er die Bewerbungen nach einem bestimmten Kriterium vorsortiert hat. Dieses Kriterium darf nicht nur vorgeschoben sein und muss in der Stellenanzeige mindestens einen objektiven Anklang gefunden haben.
3. Im vorliegenden Fall war es nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber die eingehenden Bewerbungen nach dem Merkmal „einschlägige und aktuelle Berufserfahrungen“ vorsortiert hat. Der Kläger erfüllte das Anforderungsprofil erkennbar nicht, denn die letzte einschlägige Tätigkeiten bei einer Bank lag - abgesehen von einem kurzen Zeitraum von sechs Monaten in 2009/2010 - mehr als 25 Jahre zurück.
Normenkette
SGB IX § 15 Abs. 2, § 6 Abs. 1 S. 2, § 3 Abs. 1, §§ 22, 164 Abs. 1 Sätze 2, 4; ZPO § 286 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 03.12.2019; Aktenzeichen 16 Ca 3963/19) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 3. Dezember 2019 – 16 Ca 3963/19 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 AGG nach einer Ablehnung in einem Bewerbungsverfahren.
Der am xx.xx.1956 geborene Kläger ist schwerbehindert mit einem GdB von 60. Er verfügt über eine Ausbildung zum Bankkaufmann und hat in der Zeit von 1981 bis Mitte 1991 bei der A als Kreditsachbearbeiter gearbeitet. Im Anschluss daran war er bis Ende 1998 als selbständiger Handelsvertreter für die B tätig. In der Zeit von Dezember 2009 bis Mai 2010 hat er als Privatkundenberater bei der C gearbeitet. Zuletzt bezog er eine vorgezogene Altersrente.
Die Beklagte ist eine Bank mit Sitz in D. Sie veröffentlichte auf dem Internetportal E am 7. März 2019 eine Stellenanzeige, die u.a. wie folgt lautete:
„…Wir suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt für unsere Hauptverwaltung in D einen Kundenbetreuer (m/w/d) Immobilienkreditgeschäft .
Ihre Aufgaben
Bringen Sie ihr Know-how und Ihre ausgeprägten kommunikativen Fähigkeiten in den telefonischen Vertrieb kundenspezifische Finanzierungslösungen ein! Sie begleiten im Rahmen unseres Kommunikationsmanagements unsere Kunden telefonisch und mit digitalen Medien in allen Belangen rund um die Immobilienfinanzierung vom Kontakt bis zum Vertragsschluss.
Unsere Teamverstärkung stellen wir uns so vor
- Sie haben eine abgeschlossene Bankausbildung oder vergleichbare Qualifikation mit einem Kredit- oder Immobilienhintergrund
- Sie haben ihre Fachkompetenz im aktiven telefonischen Verkauf von Immobilienfinanzierungen bereits bewiesen und streben im Sinne der Vertriebseffizienz eine hohe Cross-Selling-Quote an
- Sie arbeiten eigenständig und zielorientiert, besitzen ein hohes Maß an Motivations- sowie Begeisterungsfähigkeit und agieren service- und vertriebsorientiert
- Sie finden im Rahmen der Bankkriterien individuell angepasste Finanzierungskonzepte
- Ihre Arbeitsweise ist geprägt von einer hohen Serviceorientierung und Teamfähigkeit
…“
Wegen der Einzelheiten der Stellenanzeige wird verwiesen auf Bl. 15 - 16 der Akte. Bei der Stellenausschreibung wurde die Bundesagentur für Arbeit nicht beteiligt.
Der Kläger bewarb sich auf diese Stellenanzeige per E-Mail vom 13. März 2019. Beigefügt war ein Lebenslauf sowie Arbeitszeugnisse. Der Kläger wies dabei auch auf seine Schwerbehinderung ausdrücklich hin, eine Kopie des Schwerbehindertenausweises war beigefügt.
Mit E-Mail vom 14. März 2019 bestätigte die Beklagte den Eingang der Bewerbung des Klägers. Mit E-Mail vom 16. April 2019 erhielt der Kläger eine Absage. Die Schwerbehindertenvertretung wurde hierbei nicht beteiligt.
Daraufhin machte der Kläger eine Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 AGG mit Schreiben vom 9. Mai 2019 bei der Beklagten, Eingang dort am 13. Mai 2019, geltend.
Mit bei Gericht am 24. Juni 2019 eingegangener Klageschrift, die der Beklagten am 4. Juli 2019 zugestellt worden ist, hat der Kläger seine Entschädigungszahlung gerichtlich weiterverfolgt.
Der K...