Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltungsbereich der Bau-Tarifverträge

 

Leitsatz (amtlich)

Die Errichtung eines Mehrfamilienhauses durch einen Bauingenieur und Architekten auf eigenem Grund und Boden ist auch dann regelmäßig nicht gewerblich, wenn sieben von acht vorhandenen Wohnungen zur Vermietung bestimmt sind (im Anschluß an BAG Urt. v. 06.03.1985, AP Nr. 64 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau)

 

Normenkette

TVG § 5 Abs. 4, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1-2; VTV-Bau § 1 Abs. 2 Abschn. I, Abschn. V

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 15.07.1988; Aktenzeichen 6 Ca 866/88)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 15. Juli 1988 – 6 Ca 866/88 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Beitragsansprüche der Klägerin gegen den Beklagten für die Zeiträume Dezember 1982 und April 1983 bis Dezember 1985.

Die Klägerin ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertrags Parteien nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge der baugewerblichen Arbeitgeber in der Bundesrepublik Deutschland zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Im Klagezeitraum waren alle baugewerblichen Arbeitgeber verpflichtet, an die Klägerin einen jährlich sich ändernden Vom-Hundert-Satz der Bruttolohnsumme der Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (RVO) versicherungspflichtig Tätigkeit ausübten, als Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes zu zahlen. Die Verpflichtung richtete sich bis Ende 1983 nach § 2 Abschn. T Nr. R des Tarifvertrages über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe vom 12. November 1960 in der Fassung vom 10. November 1981, anschließend nach § 12 des gleichnamigen Tarifvertrages vom 19. Dezember 1983 in der ursprünglichen Fassung und der Fassung vom 12. Dezember 1984. Diese waren stets für allgemeinverbindlich erklärt. Der Vom-Hundert-Satz betrug nach diesen Vorschriften 1982 und 1983 24 v.H., 1984 24, 7 v. H. und 1985 19, 9 v. H.. Der Beklagte ist Inhaber eines Bauingenieur- und Architekturbüros. Er errichtete in der Zeit von Mitte 1981 bis November 1985 auf zwei eigenen Grundstücken in München ein Wohnhaus mit acht Wohnungen, von denen vier für ihn selbst, seine beiden damals demnächst volljährigen Söhne und seine Schwiegereltern gedacht waren und inzwischen so genutzt wenden, die übrigen nach Fertigstellung vermietet wurden und werden. Im Rahmen dieser Betätigung beschäftigte der Beklagte zu verschiedenen Zeiten Arbeitnehmer in wechselnder Zahl (Aufstellung der …, Bl. 54 und 55 d.A.) mit baulichen Arbeiten. Der Beklagte war nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes. In einem Vorprozeß der Parteien (6 Ca 4969/87 ArbG Wiesbaden, Beiakte – BA) erklärten die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt, nachdem der Beklagte am 11. Dezember 1987 eine Zusammenstellung der Arbeitnehmer und der ausgezahlten Löhne auch für den hiesigen Klagezeitraum überreicht hatte (Bl. 20–24 d.BA.). Auf dieser Grundlage hat die Klägerin die geltend gemachten Beitragsansprüche in unstreitiger Höhe berechnet.

Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, der Beklagte habe das Haus gewerblich errichtet. Auch wenn vier Wohnungen vom Beklagten selber oder nahen Angehörigen benutzt würden, seien doch immerhin vier Wohnungen zur Verfügungsstellung am Wohnungsmarkt errichtet worden. Bei einer solchen Konstellation könne nicht davon gesprochen werden, daß bei den baulichen Leistungen des Beklagten lediglich die Erhaltung eines Vermögensbestandes und seine Nutzung im Vordergrund stünden.

Sie hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 32.095,21 DM zu zahlen.

Der Beklagte hat den Mangel der örtlichen Zuständigkeit gerügt und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat gemeint, er habe im Rahmen privater Vermögensverwaltung, nicht gewerblich, aufgrund des 2. Wohnungsbaugesetzes einige Wohnungen selbst mit Nachbarschaftshilfe und Aushilfen errichtet. Er hat behauptet, im Dezember 1985 keine Arbeitnehmer beschäftigt zu haben und insgesamt 10.951,89 DM Urlaubsgeld an seine Nachbarschaftshelfer gezahlt zu haben.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit der Klägerin am 29. Juli 1988 zugestelltem Urteil vom 15. Juli 1988 – 6 Ca 866/88 (Bl. 12–15 d.A.) – die Klage abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin am 29. August 1988 Berufung eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15. November 1988 an diesem Tag begründet.

Die Klägerin ist der Meinung, es sei davon auszugehen, daß der Beklagte von Anfang an die Absicht gehabt habe, sieben Wohnungen zu vermieten. Er habe das Gebäude unter Einsatz seiner persönlichen Qualifikation errichtet. Ohne diese habe er sich eines Bauunternehmens oder fachlicher Berater bedienen müssen, die für die beschäftigten Arbeitnehmer ihr gegenüber beitragspflichtig gewesen wären. Sie rügt, das Arbeitsgericht habe eine andere Verteilung der Nutzung des Hauses und die unentgeltliche Überlassung ...

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