Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung des Tarifvertrages. Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 16.09.2010, 14 Sa 271/10, das vollständig dokumentiert ist. „Verschieben” einer Tariflohnerhöhung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Betriebsparteien können auch durch nachträglichen Abschluss einer Betriebsvereinbarung die Tariflohnerhöhung wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten nach § 5 des Tarifvertrags über die Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen der hessischen Metallindustrie vom 17.11.2008 verschieben.

 

Verfahrensgang

ArbG Offenbach am Main (Urteil vom 22.01.2010; Aktenzeichen 6 Ca 325/09)

 

Nachgehend

BAG (Aktenzeichen 1 AZR 106/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitgerichts Offenbach vom 22.01.2010 – 6 Ca 325/09 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob eine tariflich geregelte Lohnerhöhung zu einer Lohnerhöhung führt.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten und Berufungsklägerin (im Folgen Beklagte) wurde als A im Jahre B in C gegründet. Daher befand sich der Firmensitz zunächst in C. Im Jahre 1965 wurde der Firmensitz nach D in E verlegt. Die Beklagte ist ein Hersteller von technischen Elektronikbauteilen für verschiedene Industriezweige.

Der Kläger und Berufungsbeklagte (im Folgenden Kläger) ist seit Oktober 1989 für die Beklagte als Arbeitnehmer in Vollzeit tätig.

Zwischen den Parteien ist streitig, ob eine Tariferhöhung, die zwischen dem F und der G (im Folgenden Tarifvertrag) auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist. Auf den Inhalt des Tarifvertrages (Anlage B 4) wird Bezug genommen. Dieser Tarifvertrag sieht eine Erhöhung der Tariflöhne in zwei Schritten vor. In einem ersten Schritt sollte mit Wirkung ab dem 01. Februar 2009 eine Vorweganhebung des Grundlohns in Höhe von 2,1% erfolgen, in einem zweiten Schritt eine weitere Gehaltserhöhung mit Wirkung ab dem 01. Mai 2009. Nachdem die Beklagte an ihre Mitarbeiter die erste Stufe der Tariflohnerhöhung weitergegeben hat, ist streitig, ob dies auch für die zweite Stufe zu erfolgen hat.

Mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der A, schloss der damalige Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung unter dem 27. November 1963 ab, in dem es unter Ziffer 1 heißt:

„Betriebsüblich ist für das kaufmännische und für das gewerbliche Personal die Anwendung der jeweils gültigen Tarifverträge, die zwischen dem H und der G für die I abgeschlossen sind.”

Auf den Inhalt der Betriebsvereinbarung (Bl. 20) wird Bezug genommen. In einer weiteren Betriebsvereinbarung vom 14. März 1967 (Bl. 21) heißt es unter Hinweis auf einen Nachtrag zur Betriebsvereinbarung vom 27. November 1963:

„Betriebsüblich ist für das kaufmännische und für das gewerbliche Personal die Anwendung der jeweils gültigen Tarifverträge, die zwischen dem J und der G für die I, Bezirksleitung K abgeschlossen sind.

Im Jahre 1999 wurde die Rechtsvorgängerin A von der Beklagten übernommen.

Im Arbeitsvertrag des Klägers, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 28 d. A.), heißt es unter Absatz 5:

„Wir vereinbarten einen Bruttomonatslohn von DM 3.400,– der rückwirkend am Ende eines jeden Monats gezahlt wird. Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

DM 2.414,00 laut Tarif in Gruppe HL 07, DM 986,00 freiwillige Zulage, DM 3.400 brutto Monatslohn.

Wir behalten uns vor, die in Ihrem Entlohn enthaltene übertarifliche Zulage gegen eine evtl. Erhöhung des Tariflohns aufzurechnen.”

Der Kläger erhielt in den Jahren seit seiner Einstellung bis zum Jahre 2004 alle zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarten Lohnerhöhungen zum tariflich vereinbarten Zeitpunkt und in der tariflich vereinbarten Höhe ausgezahlt.

In den Jahren 2005 bis 2008 kam es zwischen den Parteien zu Differenzen über die Weitergabe von Lohnerhöhungen. Die Beklagte gab diese Lohnerhöhungen zum Teil erst nach einer beim Arbeitsgericht anhängigen Klage weiter, wobei diese Verfahren durch Vergleich beendet wurden und im Vergleichstext jeweils nur die Zahlung der Erhöhung enthalten ist.

Streitig ist zwischen den Parteien die Zahlung der Lohnerhöhung von 2,1% für die Monate Mai bis Oktober 2009 in Höhe von zuletzt 55,24 Euro brutto monatlich. Für diese zweite Stufe sieht der Tarifvertrag in § 5 eine Öffnungsklausel vor. Diese lautet wie folgt:

„Durch freiwillige Betriebsvereinbarung kann der Beginn der Tarifperiode entsprechend der wirtschaftlichen Lage des Betriebes vom 01. Mai 2009 bis längstens zum 01. Dezember 2009 verschoben werden. In diesem Falle gelten die Lohn- und Gehaltstabellen sowie die Ausbildungsvergütungen vom 01. Februar 2009 bis zu dem in der Betriebsvereinbarung festgelegten Zeitpunkt weiter.”

Die Beklagte schloss am 09. November 2009 mit dem Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Entgeltanpassung, auf die Bezug genommen wird (Anlage B 03). Hierin ist geregelt, dass die zweite Stufe der tariflich vorgesehenen Entgelterhöhung rückwirkend erst mit Wirkung ab dem 01. Oktober 2009 an die M...

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