Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässiger Eilantrag auf Beschäftigung zu geänderten Bedingungen gem. § 15 Abs. 7 BEEG bei Versäumung der Reaktionsfrist durch den Arbeitgeber. Anforderungen an den Verfügungsgrund im Eilverfahren bei Antrag auf Beschäftigung zu geänderten Bedingungen
Leitsatz (amtlich)
1. Versäumt der Arbeitgeber die Frist zur Reaktion auf einen Antrag auf Elternteilzeit, so gilt seine Zustimmung zu dem Teilzeitbegehren nach § 15 Abs. 7 Satz 5 BEEG als erteilt. Der Arbeitnehmer muss dann nicht Klage nach § 15 Abs. 7 Satz 7 BEEG erheben. Im Eilverfahren kann er unmittelbar einen Antrag auf Beschäftigung zu den geänderten Bedingungen stellen.
2. Macht der Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis einen Anspruch auf Beschäftigung im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahren geltend, sind an den Verfügungsgrund grundsätzlich keine hohen Anforderungen zu stellen, wenn nicht gleichzeitig eine Änderung der Arbeitsbedingungen - ernsthaft - im Streit steht.
Normenkette
BEEG § 15 Abs. 7; ZPO §§ 935, 940; ArbGG § 62 Abs. 2; GG Art. 1, 2 Abs. 1; BGB §§ 242, 611a
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Urteil vom 27.06.2019; Aktenzeichen 7 Ga 2/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 27. Juni 2019 - 7 Ga 2/19 - abgeändert.
Der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, die Verfügungsklägerin vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache als „Marketing Director Luxury DACH“ gemäß Arbeitsvertrag vom 29. März 2006 i.V.m. den Vertragsergänzungen vom 20. Juni 2016 und 10. März 2017 mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden von montags bis freitags zu je 6 Stunden während der verbleibenden Dauer der Elternzeit vom 1. Juli 2019 bis zum 12. März 2020 zu beschäftigen, wobei freitags die Arbeit gemäß der Home-Office-Vereinbarung vom 10. Februar 2017 im Home-Office an ihrem Wohnsitz verrichtet werden kann.
Die Kosten des Verfahrens hat die Verfügungsbeklagte zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens um die Frage, ob die Verfügungsklägerin im Rahmen der Elternzeit in Teilzeit zu beschäftigen ist.
Die Verfügungsbeklagte ist die deutsche Konzerngesellschaft eines weltweit agierenden Parfüm- und Kosmetikkonzern.
Die Verfügungsklägerin war zunächst bei der Rechtsvorgängerin seit dem 1. August 2006 als sog. Marketing Manager eingestellt. Maßgebend waren zuletzt der schriftliche Anstellungsvertrag vom 20. Juni 2016 sowie das Ergänzungsschreiben zum Anstellungsvertrag vom 10. März 2017. Die Verfügungsklägerin war zuletzt als „Marketing Director Luxury DACH“ im Umfang einer Vollzeitstelle bei einem jährlichen Bruttofestgehalt von 169.130 Euro zuzüglich variabler Vergütung beschäftigt. In dieser Funktion trug sie die Verantwortung für die DACH-Region (Deutschland/Österreich/Schweiz) hinsichtlich der Bereiche Brand Marketing, Public Relations, Consumer Market Research und mediale Präsenz. Sie leitete ein Team von 25 direkt unterstellten Mitarbeitern und verfügte über ein Budget in Höhe von 100.000.000 Euro.
Die Verfügungsklägerin ist verheiratet und Mutter von zwei minderjährigen Kindern. Nach einer ersten Elternzeit, in der sie in Teilzeit für die Verfügungsbeklagte arbeitete, kehrte sie im Februar 2017 wieder in eine Vollzeitbeschäftigung zurück. Am 4. Oktober 2017 teilte sie der Verfügungsbeklagten mit, dass sie erneut schwanger sei. Am 6. Februar 2018 trat sie den Mutterschutz an, das zweite Kind wurde am 12. März 2018 geboren.
Mit Schreiben vom 18. März 2018 beantragte die Verfügungsklägerin bei der Verfügungsbeklagten schriftlich eine zweijährige Elternzeit im Anschluss an den Mutterschutz (Bl. 76 der Akte). Gleichzeitig teilte sie mit, dass sie plane, ab Mitte November 2018 in Teilzeit während der Elternzeit zurückzukehren. Mit Schreiben vom 25. März 2018 bestätigte die Verfügungsbeklagte im Grundsatz die Elternzeit.
Nach den Angaben der Verfügungsklägerin besetzte die Verfügungsbeklagte zum 1. Juli 2018 den Arbeitsplatz der Verfügungsbeklagten mit Frau A. Ende 2018 schied Frau A auf eigenem Wunsch wieder aus.
Am 22. Januar 2019 stellte die Verfügungsklägerin einen schriftlichen Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit vom 1. Juli 2019 bis zum Ende der Elternzeit. Die Teilzeittätigkeit sollte 30 Wochenstunden betragen und auf alle fünf Wochentage gleichmäßig zu je sechs Stunden aufgeteilt werden (Bl. 78 der Akte).
Am 26. Februar 2019 fand ein Treffen zwischen der Verfügungsklägerin und der neuen Geschäftsführerin Frau B statt. Dabei wurde auch über den Teilzeitwunsch der Verfügungsklägerin gesprochen.
Mit Schreiben vom 9. April 2019 lehnte die Verfügungsbeklagte den Teilzeitantrag schriftlich ab (Bl. 79 der Akte).
Mit Schreiben vom 13. Mai 2019 wurde die Verfügungsbeklagte durch anwaltlichen Schriftsatz zur Beschäftigung der Verfügungsklägerin in der Teilzeit aufgefordert. Dies wurde mit anwaltlichem Schreiben vom 20. Mai 2019 abgelehnt. Am 23. Mai 2019 hat die Verfügungsklägerin einen Antrag auf Erlass ein...