Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorrang der Änderungskündigung vor etwaiger Beendigungskündigung
Leitsatz (amtlich)
Zur Notwendigkeit einer Abmahnung vor Aus Spruch einer auf Leistungsmängel gestützten Kündigung (im Anschluß die einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts)
sowie
zum Vorrang einer Änderungskündigung vor einer etwaigen Beendigungskündigung (im Anschluß in BAG, Urteil vom 27.9.1984, in NZA 1985. S. 455 ff)
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 26.11.1984; Aktenzeichen 1 Ca 207/84) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt/Main vom 26.11.1984 – Az.: 1 Ca 207/84 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Hinsichtlich der im ersten Rechtszug vorgebrachten tatsächlichen Behauptungen der Parteien sowie wegen der vom Arbeitsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 543 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 26.11.1984 (Bl. 4 o – 42 d.A.) Bezug genommen.
Gegen diese, ihr am 28.1.1985 zugestellte Entscheidung des Arbeitsgerichts, auf deren nähere Gründe (Bl. 42–44 d.A.) gleichfalls verwiesen wirde, hat die Beklagte mit einem am 5.2.1985 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 30.1.1985 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel – nach rechtzeitiger Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung bis zum 5.4.1985 – mit einem weiteren, am 25.3.1985 eingegangenen Schriftsatz im einzelnen begründet. Darin macht die Beklagte – unter weitgehender Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens – vorab geltend, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Sozialwidrigkeit der dem Kläger gegenüber am 27.6.1984 ausgesprochenen Kündigung angenommen. Sie behauptet, der Kläger verfüge nicht über die erforderlichen Qualitäten, um in dem harten Tagesgeschäft der Speditionsbranche bestehen zu können. So fehle ihm die notwendige Praxis und das erforderliche Durchsetzungsvermögen. Seine Unfähigkeit als Agenturleiter könne nicht näher dargelegt werden, da – dies ist unstreitig – bislang die Agentur in Darmstadt nicht eröffnet sei. Hierfür sei wiederum der Kläger als ursächlich anzusehen, da sein Mißerfolg als Agenturleiter deutlich vorhersehbar gewesen sei.
Demzufolge habe es vor Kündigung saus Spruch auch keiner Abmahnung bedurft. Wie die Beklagte weiter ausführt, kann sie den Kläger nicht mehr länger „durchschleppen”, zumal er auch im Verkauf nichts leiste. Zudem sei der Kläger die Ursache für Unruhen innerhalb der Belegschaft; andere Mitarbeiter seien nicht gewillt, mit dem Kläger zusammen zu arbeiten. Des weiteren habe das Arbeitsgericht fehlerhaft seine Weigerung, den Dienstwagen herauszugehen, nicht beachtet. Im Rahmen der Interessenabwägung müsse auch das „starrsinnige” Verhalten des Klägers in Bezug auf die ihm von ihr ersatzweise angebotenen Positionen berücksichtigt werden; dies habe das Arbeitsgericht unterlassen. Die Beklagte ist daher der Ansicht, alles ihr Mögliche zur Beilegung des Konflikts getan zu haben.
Abschließend vertritt die Beklagte die Ansicht, eine Weiterbeschäftigung des Klägers scheide schon deshalb aus, weil der für ihn vorgesehene Arbeitsplatz nicht existiere. Ebenso könne bei zutreffender Würdigung der Gesamtumstände nicht mehr von einer den Betriebszwecken dienlichen Zusammenarbeit ausgegangen werden, was hilfsweise eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertige.
Die Beklagte beantragt daher,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das Arbeitsverhältnis gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG aufzulösen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt a. M. vom 26.11.1984 – 1 Ca 207/84 – kostenpflichtig zurückzuweisen, sowie den hilfsweise gestellten Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß §§9, 10 KSchG abzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts als rechtlich zutreffend und hebt insbesondere hervor, die Entscheidung, die Agentur in D. nicht zu eröffnen, habe auf innerbetrieblichen Widerständen beruht; hierdurch habe man ihm die Chance genommen, vertragsgemäß zu arbeiten. Er sei sicher, daß er die Aufgabe auf Grund seiner umfassenden Fachkenntnisse und Erfahrungen erfolgreich gelöst hätte. Unabhängig davon ist der Kläger der Ansicht, daß die Beklagte zuvor eine Änderungskündigung als das mildere Mittel hätte aussprechen müssen und können.
Wegen des sonstigen. Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf ihre zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 18.9.1985 (Bl. 96 d.A.) Bezug genommen. Im übrigen besteht zwischen den Parteien darüber Einvernehmen, daß der Kläger seit dem 10. Dezember 1984 wieder bei der Beklagten beschäftigt wird, nachdem er zeitweilig von der Arbeit freigestellt war. Seither wird er nicht mehr im Regional verkehr, sondern im Ortsverkehr eingesetzt. Außerdem hat der Kläger den Dienstwagen am 25. Februar 1985 zurückgegeben.
Entscheidungsgründe
I.
Die ...