Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung als Oberarzt in den TV-Ärzte/VKA. ausdrückliche Übertragung der medizinischen Verantwortung
Leitsatz (amtlich)
Die Eingruppierung eines Arztes in die Entgeltgruppe III setzt die ausdrückliche Übertragung der medizinischen Verantwortung durch den Arbeitgeber voraus. Ein lediglich konkludentes Verhalten oder die nur faktische Herstellung entsprechender Organisationsformen genügt nicht. Das Erfordernis einer ausdrücklichen Übertragung durch den Arbeitgeber lässt zwar zu, dass der Arbeitgeber sich in der Übertragung durch einen Bevollmächtigten vertreten lässt. Eine Zurechnung der Übertragung medizinischer Verantwortung im Wege der Anscheins- oder Duldungsvollmacht ist jedoch wegen des Entscheidungsvorbehalts des Arbeitgebers ausgeschlossen.
Normenkette
TV-Ärzte/VKA § 16 Buchst. c; TVG § 1; BGB § 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 11.06.2008; Aktenzeichen 7/14 Ca 9589/07) |
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 4 AZR 2/10) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 11. Juni 2008 – 7/14 Ca 9589/07 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche und in diesem Zusammenhang um die Eingruppierung des Klägers.
Der Kläger, der seit 11. Januar 1997 Facharzt für diagnostische Radiologie und seit 08. November berechtigt ist, in Verbindung mit der Facharztbezeichnung die Schwerpunktbezeichnung Neuroradiologie zu führen, war vom 01. August 2003 bis zum 31. Dezember 2007 bei der Beklagten im Radiologischen Zentralinstitut beschäftigt. Er wurde zunächst aufgrund Arbeitsvertrags vom 01. August 2003 als Oberarzt in Teilzeit befristet eingestellt (Bl. 8 f. d. A.). Aufgrund Änderungsvertrag vom 03. November 2003 (Bl. 10 d. A.) wurde der Kläger ab 01. Januar 2004 unbefristet als vollbeschäftigter Angestellter weiterbeschäftigt. Zuletzt richtete sich das Arbeitsverhältnis nach dem Arbeitsvertrag vom 16. Juni 2005 (Bl. 31 f. d. A.), nach welchem der Kläger ab 01. Juli 2005 als Oberarzt auf unbestimmte Zeit eingestellt ist. Weiter heißt es darin:
§ 3
Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen.
§ 6
D. Angestellte erhält vom Einstellungstag (§ 1) an Grundvergütung der Vergütungsgruppe Ib BAT.
Das Radiologische Zentralinstitut wird von dem Chefarzt, Herrn Prof. Dr. A, geleitet. In dessen Vertrag mit der Beklagten heißt es:
„Im Rahmen der Besorgung seiner Dienstaufgaben überträgt der Arzt …. bestimmte Tätigkeitsbereiche oder Einzelaufgaben zur selbständigen Erledigung.”
Prof. Dr. A begann mit Übernahme der chefärztlichen Leitung mit der Umstrukturierung des Radiologischen Zentralinstituts, bei der er das Institut in Einheiten gliederte und die Leitung der Einheiten Oberärzten übertrug. Eine solche Einheit ist die Neuroradiologe, deren Leitung Prof. Dr. A dem Kläger vor dem 01. August 2006 übertrug. Der Kläger, welcher der einzige Neuroradiologe war, war für die Durchführung von Myelographien, cerebralen Angiographien und Computertomographien zuständig und behandelte allein cerebrale Aneurysmen und intracranielle Gefäßstenosen und -verschlüsse. Für die Neuroradiologie gestaltete er in Abstimmung mit dem Chefarzt die organisatorischen Abläufe und die Dienstpläne. Ihm oblag die Leitung der Visiten in der Neuroradiologie. Gegenüber den Assistenzärzten und dem nichtärztlichem Personal war er weisungsbefugt; er übte die fachliche Aufsicht über sie aus und korrigierte bei Bedarf deren Entscheidungen. Er leistete Hintergrunddienste. In Bezug auf die Neuroradiologie war der Kläger als Vertreter des Chefarztes in den Wahlleistungsverträgen benannt. Auf dem Briefpapier des Radiologischen Zentralinstituts war der Kläger unter der Rubik „Oberärzte” mit dem Zusatz „(Neuroradiologie)” aufgeführt. Im einem Internetauftritt der Beklagten sind einzelne Bereiche des Radiologischen Zentrums wie die Computertomographie, die Angiographie, die Nuklearmedizin und auch die Neuroradiologie aufgeführt, und zwar jeweils mit Namen der Ärzte, Telefon-Nummer, Indikation, Diagnostik und Therapie. Bei der Neuroradiologie ist der Name des Klägers an erster Stelle genannt. Der Kläger ist aber auch in den Bereichen Computertomographie, Angiographie, radiologische Mikrotherapie und Kopf- und Halstherapie genannt. Auf Bl. 95 – 101 d. A. wird Bezug genommen.
Seit Inkrafttreten des Tarifvertrags für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 17. August 2006 (TV-Ärzte/VKA) am 01. August 2006 wendet die Beklagte auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihr beschäftigten Ärztinnen und Ärzte den TV-Ärzte/VKA und den ebenfalls am 1. August 2006 in Kraft getretenen Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern in den TV-Ärzte/VKA und zur Regelung des Übergangsrechts vom 17. August 2006 (TVÜ-Ärzte/VK...