Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. Unwirksame außerordentliche und wirksame ordentliche Kündigung wegen des Verdachts der Privatnutzung des Diensthandys. Verdacht der Privatnutzung des Diensthandys. Zumutbarkeit der ordentlichen Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Benutzt der Arbeitnehmer ein vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Diensthandy, um auf dessen Kosten heimlich umfangreiche Privattelefonate zu führen, stellt dies an sich einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar.
2. Auf die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich der Arbeitnehmer i.d.R. nicht berufen, da bei der Prüfung des wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB die Umstände des jeweiligen Einzelfalls umfassend abzuwägen sind.
3. Kündigt der Arbeitgeber bei gleicher Ausgangslage im Sinne einer gleichartigen Pflichtverletzung nicht allen daran beteiligten Arbeitnehmern, lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass es für ihn zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis auch mit dem gekündigten Arbeitnehmer fortzusetzen.
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 16.12.2010; Aktenzeichen 11 Ca 2190/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 2010, 11 Ca 2190/10, teilweise abgeändert.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 09. März 2010 nicht aufgelöst worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten auch im Berufungsrechtszug über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Arbeitgeberkündigung, um Weiterbeschäftigung und um einen erstmals im Berufungsrechtszug gestellten Auflösungsantrag der Arbeitgeberin.
Wegen des unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (Bl. 222 bis 230 d.A.).
Die ursprüngliche Beklagte (A, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts B unter HRB C) hat ihr Vermögen als Ganzes im Wege der Umwandlung durch Aufspaltung auf verschiedene Gesellschaften übertragen, ua. den Betrieb ZD auf die jetzige Beklagte (eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts B unter HRB D). Die entsprechenden Eintragungen im Handelsregister erfolgten am 01. Juli 2011 bzw. 17. Juni 2011. Die (jetzige) Beklagte hat den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 06. Juli 2011 aufgenommen.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat der Klage durch am 16. Dezember 2010 verkündetes Urteil, 11 Ca 2190/10, stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zwar liege eine als wichtiger Grund geeignete vertragliche Pflichtverletzung des Klägers vor. Dennoch sei vorliegend eine Abmahnung erforderlich gewesen, wobei entscheidend sei, dass die Beklagte auch in vergleichbaren Fällen zu erkennen gegeben habe, dass ihr eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar sei und eine Differenzierung zwischen dem Kläger und weiterbeschäftigten Kollegen sachlich nicht gerechtfertigt sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 231 bis 238 d.A.).
Gegen dieses ihr am 18. Februar 2011 zugestellte Urteil hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten am 09. März 2011 Berufung eingelegt und diese nach aufgrund Antrags vom 12. April 2011 erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 18. Mai 2011 am 18. Mai 2011 begründet.
Die Beklagte wiederholt und vertieft den Vortrag ihrer Rechtsvorgängerin und hält daran fest, ein Abmahnungserfordernis bestehe nicht. Angesichts des Umfangs und der Intensität der Privatnutzung des Diensthandys sei es ausgeschlossen, dass der Kläger davon habe ausgehen können, sie werde das Arbeitsverhältnis bei Kenntnis von dem Pflichtverstoß fortsetzen. Abmahnungserfordernis und/oder Unwirksamkeit der Kündigung könne auch nicht aus unterschiedlicher Behandlung der verschiedenen im Rahmen der Überprüfung auffällig gewordenen Arbeitnehmer gefolgert werden. Die Frage des Abmahnungserfordernisses sei nach objektiven Maßstäben zu beantworten. Der Gleichbehandlungsgrundsatz finde im Kündigungsrecht keine, jedenfalls keine unmittelbare Anwendung. Ihre Rechtsvorgängerin sei bei der Behandlung der im Frühjahr 2010 wegen des Verdachts der Privatnutzung von Firmenhandys auffällig gewordenen Arbeitnehmer auch nicht nach einer selbst gesetzten Regel vorgegangen, sondern habe in jedem Einzelfall eine umfassende Interessenabwägung durchgeführt und die Besonderheiten des Einzelfalls gewürdigt, hierbei neben anderen Kriterien auch jeweils die Schadenshöhe. Bei den einzelnen Arbeitnehmern liege auch bereits kein sachlich und zeitlich gleichgelagerter Sachverhalt vor, so dass auch keine mittelbare Anwend...