Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. Unwirksame außerordentliche Kündigung gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer wegen des Verdachts der Privatnutzung des Diensthandys. Verdacht der Privatnutzung des Diensthandys. Zumutbarkeit der ordentlichen Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Benutzt der Arbeitnehmer ein vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Diensthandy, um auf dessen Kosten heimlich umfangreiche Privattelefonate zu führen, stellt dies an sich einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar.
2. Auf die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich der Arbeitnehmer i.d.R. nicht berufen, da bei der Prüfung des wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB die Umstände des jeweiligen Einzelfalls umfassend abzuwägen sind.
3. Kündigt der Arbeitgeber bei gleicher Ausgangslage im Sinne einer gleichartigen Pflichtverletzung nicht allen daran beteiligten Arbeitnehmern, lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass es für ihn zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis auch mit dem gekündigten Arbeitnehmer fortzusetzen.
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 15.02.2011; Aktenzeichen 4 Ca 2119/10) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 15. Februar 2011, 4 Ca 2119/10, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten auch im Berufungsrechtszug über die Wirksamkeit außerordentlicher fristlos bzw. hilfsweise mit Auslauffrist ausgesprochener Arbeitgeberkündigungen, um Weiterbeschäftigung sowie um Erteilung eines Zwischenzeugnisses.
Wegen des unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (Bl. 292 bis 294 d.A.).
Die ursprüngliche Beklagte (A, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts B unter C D) hat ihr Vermögen als Ganzes im Wege der Umwandlung durch Aufspaltung auf verschiedene Gesellschaften übertragen, ua. den Betrieb H auf die jetzige Beklagte (eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts B unter C E). Die entsprechenden Eintragungen im Handelsregister erfolgten am 01. Juli 2011 bzw. 17. Juni 2011. Die (jetzige) Beklagte hat den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 07. Juli 2011 aufgenommen.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat der Klage durch am 15. Februar 2011 verkündetes Urteil, 4 Ca 2119/10, stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zwar liege eine Pflichtverletzung des Klägers vor, die geeignet sei, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung zu bilden. Denn der Kläger habe auf Kosten der Beklagten über die Dienstnummer seines Handy im und aus dem Ausland privat telefoniert. Vorliegend sei aber eine Abmahnung erforderlich, da die Beklagte in ähnlich gelagerten Fällen auch davon ausgegangen sei, dass eine Abmahnung ausreiche, um die eingetretene Störung des Vertragsverhältnisses zu beseitigen, und sie keine Umstände dargelegt habe, warum beim Kläger dann davon auszugehen sei, er werde sich auch im Fall einer Abmahnung prognostisch weiter vertragsuntreu verhalten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 294 bis 298 d.A.).
Gegen dieses ihr am 29. März 2011 zugestellte Urteil hat die frühere Beklagte am 28. April 2011 Berufung eingelegt und diese nach aufgrund Antrags vom 20. Mai 2011 erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 08. Juli 2011 am 08. Juli 2011 begründet.
Die Beklagte wiederholt und vertieft den Vortrag ihrer Rechtsvorgängerin und hält daran fest, ein Abmahnungserfordernis bestehe nicht. Angesichts des Umfangs und der Intensität der Privatnutzung des Diensthandys sei es ausgeschlossen, dass der Kläger davon habe ausgehen können, sie werde das Arbeitsverhältnis bei Kenntnis von dem Pflichtverstoß fortsetzen. Abmahnungserfordernis und/oder Unwirksamkeit der Kündigung könne auch nicht aus unterschiedlicher Behandlung der verschiedenen im Rahmen der Überprüfung auffällig gewordenen Arbeitnehmer gefolgert werden. Die Frage des Abmahnungserfordernisses sei nach objektiven Maßstäben zu beantworten. Der Gleichbehandlungsgrundsatz finde im Kündigungsrecht keine, jedenfalls keine unmittelbare Anwendung. Ihre Rechtsvorgängerin sei bei der Behandlung der im Frühjahr 2010 wegen des Verdachts der Privatnutzung von Firmenhandys auffällig gewordenen Arbeitnehmer auch nicht nach einer selbst gesetzten Regel vorgegangen, sondern habe in jedem Einzelfall eine umfassende Interessenabwägung durchgeführt und die Besonderheiten des Einzelfalls gewürdigt, hierbei neben anderen Kriterien auch jeweils die Schadenshöhe. Bei den einzelnen Arbeitnehmern liege auch bereits kein sachlich und zeitlich gleichgelagerter Sachverhalt vor, so dass auch keine mittelbare Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Rahmen der Interessenabwägung oder unter dem Aspekt de...