Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilnahme eines mobile und sog. Eventtribünen vermietenden Betriebes am Sozialkassenverfahren im Gerüstbaugewerbe
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Anwendung der Bestimmungen des SokaSiG erstmals in der Berufungsinstanz stellt keine Änderung des Streitgegenstandes dar.
2. Das SokaSiG unterliegt trotz der geregelten Rückwirkung keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
Orientierungssatz
Ein Betrieb, der mobile Tribünen und sog. Eventbühnen vermietet, unterfällt dem VTV Gerüstbau, da Sonderkonstruktionen der Rüsttechnik bereitgestellt werden (Rechtsprechung BAG). Anwendung des SokaSiG II, da nicht erkennbar ist, ob der Minister für Arbeit und Soziales mit der Allgemeinverbindlicherklärung befasst war.
Normenkette
VTV Gerüstbau
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 30.10.2015; Aktenzeichen 1 Ca 372/15) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 30. Oktober 2015 - 1 Ca 372/15 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Beitragsverpflichtungen der Beklagten nach dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Gerüstbaugewerbe (VTV-Gerüstbau) für den Zeitraum von September 2014 bis Dezember 2014.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu der Sozialkasse im Gerüstbaugewerbe verpflichtet.
Die Beklagte zu 1 unterhält einen Betrieb, der überwiegend Eventbühnen und Tribünen vermietet und damit in Verbindung stehende Serviceleistungen wie die Planung und die Konstruktion der Tribünen anbietet. Ein Auf- und Abbau der Tribünen erfolgt durch die Beklagte zu 1 nicht. Die Beklagte zu 2 ist die persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1.
Auf der Grundlage des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Gerüstbaugewerbe vom 20. Januar 1994 in der Fassung vom 11. Juni 2002 begehrt der Kläger von den Beklagten die Zahlung von Beiträgen für eine von der Beklagten zu 1 beschäftigte gewerbliche Aushilfe (450,- EUR brutto pro Monat) sowie für sieben bei der Beklagten zu 1 beschäftigte technische bzw. kaufmännische Angestellte.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte zu 1 sei im streitbefangenen Klagezeitraum berechtigt und verpflichtet gewesen, am Sozialkassenverfahren des Gerüstbaugewerbes teilzunehmen. Er hat unter Bezugnahme auf den Internetauftritt der Beklagten zu 1 behauptet, in deren Betrieb seien zu mehr als 50 % der persönlichen Gesamtarbeitszeit der gewerblichen Arbeitnehmer, die zusammengerechnet mehr als 50 % der betrieblichen Arbeitszeit ausgemacht habe, Arbeiten verrichtet worden, die unter den Geltungsbereich der Tarifverträge für das Gerüstbauerhandwerk fielen. Die Beklagte zu 1 werbe im Internet damit, als "einer der erfahrensten Anbieter von mobilen Tribünen in Europa" das Tribünensystem Noah von der Planung, der Konstruktion über den Bau bis hin zur Vermietung anzubieten. Auch hat der Kläger gemeint, für das Unterfallen der Beklagten zu 1 unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV-Gerüstbau spreche auch ihre Mitgliedschaft im Verband der Bühnen- und Tribünenbauer.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagten wie Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 758,- EUR zu zahlen.
Die Beklagten haben die Abweisung der Klage beantragt und die Auffassung vertreten, der Betrieb der Beklagten zu 1 unterfalle nicht dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV-Gerüstbau, da Eventbühnen und Tribünen keine Gerüste, sondern sogenannte fliegende Bauten seien. Während Gerüste nach § 2 Abs. 1 Satz 2 der Musterbauordnung (MBO) zu den baulichen Anlagen gehörten, welche nach § 61 Abs. 1 Nr. 12 MBO verfahrensfrei seien, würden fliegende Bauten in § 76 Abs. 1 MBO definiert. Weiterhin unterlägen Gerüste anderen DIN-Normen als fliegende Bauten. Auch gäbe es für Gerüste und fliegende Bauten unterschiedliche technische Regelungen. Schließlich gäbe es auch unterschiedliche Anwendungsbereiche.
Hinsichtlich des Parteivorbringens erster Instanz wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze, die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 30. Oktober 2015 und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts verwiesen.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat der Klage mit Urteil vom 30. Oktober 2015 gegenüber der Beklagten zu 1 auf Grundlage von § 14 Abs. 1, 2 VTV-Gerüstbau i.V.m. der erfolgten Allgemeinverbindlicherklärung und gegenüber der Beklagten zu 2 nach §§ 161 Abs. 2, 128 HGB stattgegeben. Hierbei hat es angenommen, dass der Betrieb der Beklagten zu 1 im Kalenderjahr 2014 dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV-Gerüstbau unterfallen sei.
Es hat zugrunde gelegt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, welcher es sich angeschlossen hat, Tribünen und Bühnen Sonderkonstruktionen der Rüsttechnik und damit Gerüste im Sin...