Entscheidungsstichwort (Thema)
Erklärungszeitraum Betriebsrat ohne Einwirkung auf Zwei-Wochen-Frist nach § 626 BGB. Geltung § 626 BGB im Anwendungsbereich des § 103 BetrVG. Verbrauch Zustimmungsverfahren mit Ausspruch Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
Der Arbeitgeber muss darauf achten, dass innerhalb der Zwei-Wochen-Frist der Zustimmungsantrag beim Betriebsrat oder der gerichtliche Ersetzungsantrag gestellt wird.
Normenkette
KSchG § 15; BGB § 626; KSchG §§ 102, 103; ZPO § 313 Abs. 3; BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Urteil vom 05.08.2018; Aktenzeichen 5 Ca 169/18) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 5.8.2018 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 5.12.2018 – 5 Ca 169/18 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung der Beklagten vom 4. Mai 2018 noch durch die Kündigung der Beklagten vom 15. Mai 2018 aufgelöst worden ist.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits entsprechend seinem Arbeitsvertrag vom 14.7.1995 als Leiter Innendienst weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Zeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung im Arbeitsverhältnis erstreckt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat der Kläger 10 % und die Beklagte 90 % zu tragen; die Kosten des Berufungsrechtszugs trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug nur noch um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung der Beklagten vom 15. Mai 2018.
Der am XX. XX 1957 geborene Kläger ist bei der Beklagten als Senior Internal Services Manager (Leiter Innendienst) im Bereich Human Capital Development (HCD) beschäftigt. Der letzte maßgebende Arbeitsvertrag datiert vom 14. Juli 1995 (Bl. 6 – 8 d.A.). Zwischen den Parteien ist eine anrechenbare Betriebszugehörigkeit seit dem 1. April 1989 unstreitig. Die Bruttomonatsvergütung des Klägers betrug zuletzt € 8.250,00. Er war bis zum 14. Mai 2018 einschließlich Mitglied des im Betrieb der Beklagten gewählten Betriebsrats.
Nach Darstellung der Beklagten bestand ihrerseits der Verdacht erheblicher Pflichtverletzungen des Klägers im Zusammenhang mit der Nutzung von Dienstfahrzeugen, der Nutzung einer Tankkarte und der Beachtung der täglichen Arbeitspflicht an zwei Arbeitstagen im April 2018. Dazu lag der Beklagten unter anderem ein von ihr in Auftrag gegebener Bericht von Privatermittlern vor. Auch hatte sie Auswertungen der Tankkartennutzung erstellen lassen.
Die Beklagte konfrontierte den Kläger erstmals mit den von ihr dazu ermittelten Umständen in einem Gespräch am 23. April 2018. Wegen des Inhalts eines darüber gefertigten Protokolls wird auf Blatt 173 der Akten verwiesen. In diesem Gespräch übergab die Beklagte dem Kläger ein Schreiben vom selben Tag (Bl. 170 – 172 d.A.) in welchem sie den Kläger aufforderte, in einem Gespräch am 25. April 2018 zu den in dem Schreiben genannten Umständen Stellung zu nehmen. Dem Kläger wurde zudem ein Schreiben überreicht, mit dem er ab sofort widerruflich von der Arbeitsleistung freigestellt wurde. Trotz seiner Zusage erschien der Kläger zu dem Gespräch am 25. April 2018 nicht. Mit Schreiben vom 26. April 2018 (Bl. 186 – 202 d.A.) gab die Beklagte dem Kläger Gelegenheit bis zum 27. April 2018 um 15.00 Uhr zu den in dem Schreiben aufgeführten Pflichtverletzungen Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme gab der Kläger nicht ab.
Mit Schreiben vom 30. April 2018 beantragte die Beklagte bei dem Betriebsrat die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Beendigungskündigung binnen der in § 102 Abs. 2 S. 3 BetrVG vorgesehenen Frist und gab ihm höchstvorsorglich die Möglichkeit zur Stellungnahme nach § 102 BetrVG zur beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Beendigungskündigung (Bl. 144 – 154 d.A. nebst Anlagen – Bl. 202 d.A.). Das Schreiben ist von einem der Geschäftsführer der Beklagten, A, und zwei weiteren, nicht kündigungsberechtigten Personen unterzeichnet. Der Betriebsrat reagierte auf die Anhörung vom 30. April 2018 mit seinem Schreiben vom 2. Mai 2018. Der Betriebsrat verweigert darin die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Beendigungskündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger (Bl. 236 d.A.). Das Schreiben des Betriebsrats ging der Beklagten am selben Tag, dem 2. Mai 2018, zu. Ein vor dem Arbeitsgericht Darmstadt unter dem Aktenzeichen 5 BV 14/18 – wegen der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats vom 2. Mai 2018 von der Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits eingeleitetes Zustimmungsersetzungsverfahren hat das Arbeitsgericht nach den in der Folgezeit abgegebenen Erledigungserklärungen der Beteiligten mit Beschluss vom 24. September 2018 eingestellt.
Mit Schreiben vom 4....