Entscheidungsstichwort (Thema)
Erziehungsurlaub
Leitsatz (amtlich)
Gewährt der Arbeitgeber auf Grund vertraglicher Zusage dem Arbeitnehmer vermögenswirksame Leistungen sowie ein Weihnachtsgeld und ein Urlaubsgeld, die beiden letztgenannten unter der Voraussetzung eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses, so trifft für die Zeit, in denen sich der AN in Erziehungsurlaub befindet, keine anteilige Kürzung der vermögenswirksamen Leistungen oder des Weihnachtsgeldes automatisch ein.
Dagegen ist wegen der Abhängigkeit des Urlaubsgeldes im Hinblick auf § 17 BErzGG bei dem vertraglichen Urlaubsgeld eine anteilige Kürzung zulässig.
Normenkette
BGB § 611; BErzGG § 17; MuSchG § 14; 5. VermBG § 1 ff.
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Urteil vom 05.09.1990; Aktenzeichen 1 Ca 62/90) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach/M. vom 05.09.1990 abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.279,22 DM brutto sowie 572,– DM netto zu zahlen, nebst 4 % Zinsen aus 312,– DM ab 23.02.1990 und aus weiteren 260,– DM ab 05.09.1990; im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 26 % und die Beklagte 74 % zu tragen.
Tatbestand
Die Klägerin ist bei der Beklagten als Chefsekretärin beschäftigt. Zur Zeit gilt der Arbeitsvertrag vom 26.07.1988 (Bl. 14–16 d.A.). Dort heißt es unter der Überschrift „Gehalt und soziale Leistungen”:
„Ihr monatliches Bruttogehalt beträgt:
DM 5.000,– (in Worten: fünftausend)
Das Gehalt ist jeweils am Monatsende zahlbar.
Als Urlaubsgeld vergüten wir Ihnen 1/2 Monatsgehalt, zahlbar – unter der Voraussetzung eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses – jeweils mit dem Juli-Gehalt. Bei Arbeitsantritt im Laufe eines Kalenderjahres wird das Urlaubsgeld anteilig gezahlt.
Als Weihnachtsgeld vergüten wir Ihnen ein 13. Monatsgehalt, zahlbar – unter der Voraussetzung eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses – jeweils mit dem November-Gehalt. Bei Arbeitsantritt im Laufe eines Kalenderjahres wird das Weihnachtsgeld anteilig gezahlt.
Weiterhin gewähren wir Ihnen einen monatlichen Zuschuß von DM 52,– zur Förderung der Vermögensbildung nach den Vorschriften des Vermögensbildungsgesetzes.”
Die Klägerin brachte am 16.08.1989 ein Kind zur Welt und nahm sodann nach dem Ende der 8-wöchigen Schutzfrist Erziehungsurlaub.
Aus Anlaß des Erziehungsurlaubs kürzte die Beklagte das Weihnachtsgeld der Klägerin für 1989 um 3/12 = DM 1.279,22 brutto und das Urlaubsgeld der Klägerin für 1989 ebenfalls um 3/12 = DM 662,53 brutto. Außerdem zahlte die Beklagte die vermögenswirksame Leistung von DM 52,00 monatlich der Klägerin nicht für die Zeit vom 01.07.1989 bis 30.06.1990.
Die Klägerin hat gemeint, ihr ständen die vorgenannten Leistungen auch für die Zeit des Erziehungsurlaubs ungekürzt zu.
Sie hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie DM 572,00 netto nebst 4% Zinsen seit dem 06.02.1990 sowie DM 1.941,75 brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, daß während des Erziehungsurlaubs die beiderseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ruhten und die Klägerin aus diesem Grunde die geforderten Beträge nicht verlangen könne.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 05.09.1990 (Bl. 94–99 d.A.) Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin unter Vertiefung ihres Vorbringens ihren Klageantrag weiter.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung. Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Zur näheren Darstellung des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze der Parteien verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat zum Teil Erfolg.
I.
Die Klägerin kann von der Beklagten DM 1.279,22 brutto als restliches Weihnachtsgeld für 1989 und DM 572,00 netto als vermögenswirksame Leistung für die Zeit vom 01.07.1989 bis 30.06.1990 verlangen. Dagegen ist der Anspruch der Klägerin auf restliches Urlaubsgeld für 1989 in Höhe von DM 662,53 brutto sachlich nicht gerechtfertigt. Das wird im folgenden näher begründet, wobei sich das Berufungsgericht an das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.10.1990 – 6 AZR 156/89 – abgedruckt DB 1991, S. 446 f., weitgehend anschließt, welches das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung noch nicht berücksichtigen konnte.
1. Während des Erziehungsurlaubs ruhte das Arbeitsverhältnis der Parteien. Die beiderseitigen Hauptpflichten, gerichtet auf Arbeitsleistung bzw. Vergütungszahlung, waren suspendiert.
Eine Suspendierung kommt jedoch nicht in Frage, soweit es nicht um Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis, sondern um sonstige Pflichten geht. Deshalb scheidet eine automatische Reduzierung aus, wenn es sich nicht um eine Entlohnung für geleistete Dienste handelt, die unmittelbar der Abgeltung der Arbeitsleistung dient, sondern um eine von der eigentlichen Vergütung unabhängige Zahlung, um sog. Entgelt im weiteren Sin...