Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsmetall
Leitsatz (amtlich)
Ein Unfall, den ein Arbeitnehmer im Rahmen eines vom Arbeitgeber organisierten Sammeltransportes zu oder von einer Baustelle erleidet, ist jedenfalls dann kein Wegeunfall im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII, sondern ein das Haftungsprivileg von § 104 SGB VII auslösender Arbeitsunfall gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII, wenn die Fahrtzeit als Arbeitszeit vergütet wird.
Normenkette
SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 104 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Hanau (Urteil vom 26.07.2001; Aktenzeichen 3 Ca 426/00) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 26. Juli 2001 – 3 Ca 426/00 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche in Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall auf der Rückfahrt von einer Baustelle.
Die in … ansässige Beklagte zu 1) befasst sich mit dem Aufbau und der Montage von Messeständen im In- und Ausland. Sie organisiert den Transport ihrer Arbeitnehmer zu den Messeorten mit eigenen Kraftfahrzeugen. Die Fahrtzeiten werden als Arbeitszeit behandelt und entsprechend vergütet. Die Beklagte zu 1) setzte den im Jahr 1959 geborenen, seit Februar 1997 bei ihr als Messebauer tätigen Kläger bis 14. September 1999 auf einer Messe in … ein und transportierte ihn an diesem Tag mit einem in ihrem Eigentum stehenden, bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Transporter aus … zurück. Der Kläger saß auf der hinteren Sitzbank hinter dem Fahrer. Die Bank war mit mangels Schlössern funktionsunfähigen Sicherheitsgurten ausgestattet. Während der Fahrt platzte der rechte Hinterreifen des Fahrzeugs. Dieses geriet ins Schleudern, prallte gegen die linke Leitplanke und überschlug sich mehrfach. Der Kläger wurde durch die Frontscheibe auf die Fahrbahn geschleudert und zog sich schwerwiegende Verletzungen zu.
Der Kläger befand sich bis 20. September 1999 in stationärer Behandlung in einem Krankenhaus in … Daran schloss sich ein Krankenhausaufenthalt in einer Klinik der Berufsgenossenschaft bis 12. Oktober 1999 an. In den Zeiten vom 25. Januar bis zum 21. Februar 2000, vom 7. Dezember bis 22. Dezember 2000 sowie vom 26. Januar bis 21. Februar 2001 wurde der Kläger erneut stationär behandelt. Er wurde mehrfach operiert und wird Dauerschäden davontragen. Er ist berufsunfähig und lässt sich derzeit zum Bürokaufmann umschulen. Wegen der Einzelheiten der Befunde und der ärztlichen Behandlung wird auf die in der Anlage zu den Schriftsätzen vom 19. Juli 2000 und 11. Juli 2001 (Bl. 6–11 und 51–53 d.A.) ersichtlichen ärztlichen Berichte Bezug genommen. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Zahlung von Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für zukünftige materielle und immaterielle Schäden aufgrund des Unfalls.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Haftung sei nicht durch § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII ausgeschlossen, da der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) den Versicherungsfall billigend in Kauf genommen und damit vorsätzlich herbeigeführt habe. Zudem handele es sich um einen Unfall im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Der Kläger hat behauptet, ihm sei das Fehlen der Anschnallmöglichkeit nicht gleichgültig gewesen. Gurtschlösser und Haltevorrichtungen seien jedoch nicht vorhanden gewesen. Eine ordnungsgemäße Montage der Gurte sei nur in einer Fachwerkstatt möglich gewesen. Dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1) sei der Zustand des Fahrzeugs bekannt gewesen. Der Kläger habe mit dem Fahrer des Unfallfahrzeugs vereinbart gehabt, ihn nicht zum Betrieb zurückzubringen, sondern an seinem Wohnsitz in … abzusetzen. Dementsprechend habe die Ehefrau des Klägers das Privatfahrzeug des Klägers das Privatfahrzeug des Klägers vorher vom Firmenparkplatz abgeholt.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von DM 60.000,00 nebst 8,42 % Zinsen hieraus seit 25.05.2000 zu zahlen,
- festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 14.09.1999 zu ersetzen, sofern die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben eine Haftung als durch § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII ausgeschlossen angesehen und behauptet, die Pflege und Wartung der Firmenfahrzeuge habe den jeweiligen Nutzern der Fahrzeuge oblegen. Der Kläger habe die Möglichkeit gehabt, Gurtschlösser zu montieren oder montieren zu lassen. Dies sei ihm aber offensichtlich gleichgültig gewesen. Dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1) sei bis zu dem Unfall das Fehlen der Gurtschlösser nicht bekannt gewesen. Der Kläger habe nicht direkt zu Hause abgesetzt werden sollen. Sein Privatfahrzeug habe sich ...