Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindung. Kirchlicher Kindergarten. Rationalisierungsschutz
Leitsatz (redaktionell)
Eine „Kommission für die Ordnung des diözesanen Arbeitsrechts” ist bei Beschluss arbeitsvertraglicher Regelungen und der Vertreter des kirchlichen Arbeitgebers ist bei deren Inkraftsetzung nicht in derselben Weise inhaltlich beschränkt wie die Betriebspartner eines privatrechtlichen Betriebs insbesondere durch § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG bei der Vereinbarung eines Sozialplans. Das paritätisch besetzte Gremium hat insgesamt nicht nur die Interessen der Arbeitnehmer zu berücksichtigen, sondern die Interessen beider Seiten zum Ausgleich zu bringen. Eine von der Kommission erlassene Arbeitsvertragsrichtlinie hat die tatsächliche Vermutung für sich, dass sie einen angemessenen Ausgleich der Interessen der Arbeitsvertragsparteien darstellt. Anders als ein Sozialplan wirkt ein Beschluss der Kommission nicht unmittelbar und zwingend, §§ 112 Abs. 1 S. 4, 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG, sondern er muss zu seiner Geltung zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbart werden.
Normenkette
Rationalisierungsschutzordnung §§ 1-2, 9 Abs. 8; AV II § 11; GG Art. 19 Abs. 4; BetrVG § 112 Abs. 1 S. 4, § 77 Abs. 4 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Hanau (Urteil vom 23.04.2004; Aktenzeichen 4 Ca 192/03) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Hanau vom23. April 2004 – 4 Ca 192/03 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung einer Abfindung.
Die am 28. März 1950 geborene Klägerin ist ledig und hat keine Kinder. Aufgrund des Arbeitsvertrages vom 24. Oktober 1990 war sie seit dem 01. November 1990, zunächst befristet bis zum 30. November 1991, in dem bis zum 30. Juni 2004 von der Beklagten unterhaltenen Kindergarten als Kindergartenhelferin beschäftigt (AV I, Bl. 16–19 d.A.). Dieser Arbeitsvertrag wurde jedenfalls durch den Arbeitsvertrag vom 16. Juni 1992 ab dem 01. September 1992 auf unbestimmte Zeit fortgesetzt (AV II, Bl. 20–23 d.A.). Dieser Vertrag lautet, soweit hier von Interesse:
„…
§ 11
Für die Kündigung des Angestelltenverhältnisses gelten die Bestimmungen des BAT.
Abweichend von § 53 Abs. 3 BAT ist eine Kündigung des Dienstgebers zulässig: …
…
§ 14
Sonstige Vereinbarungen:
Die kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien, Dienst- und Vergütungsordnungen (in Kraft gesetzte Beschlüsse der C)) des B), sind in ihrer jeweiligen Fassung Bestandteil dieses Vertrages.
…”
Die vertragliche Vergütung der Klägerin betrug zuletzt EUR 2.077,29 brutto im Monat. In dem Kindergarten waren jedenfalls mehr als 3 voll beschäftigte Mitarbeiterinnen tätig. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 25. September 2003, der Klägerin zugegangen am 26. September 2003, ordentlich zum 30. Juni 2004 (Bl. 24 d.A.), weil sie den Kindergarten zu diesem Zeitpunkt schließen wollte. Die Beklagte untersteht der A). Die in dieser gebildete Kommission für die Ordnung des diözesanen Arbeitsrechts („C)”) beschloss am 28. Oktober 2002 die „Ordnung über den Rationalisierungsschutz im B)” (Rationalisierungsschutzordnung, RaSchO, Bl. 71–76 d.A.). Mit der am 13. Oktober 2003 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 20. Oktober 2003 zugestellten Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewandt und den Klageantrag später hilfsweise auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Abfindung nach der Rationalisierungsschutzordnung ausgedehnt.
Die Klägerin hat die Kündigung für unwirksam gehalten und gemeint, für den Fall ihrer Wirksamkeit stehe ihr eine Abfindung zu. Den in § 9 Abs. 8 RaSchO vorgesehenen Ausschluss des Anspruchs auf Zahlung einer Abfindung für den Fall einer Kündigungsschutzklage hat sie für unwirksam, die RaSchO im Übrigen aber gleichwohl für wirksam gehalten.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
- festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 25. September 2003, ihr am 26. September 2003 zugegangen, nicht zum 30. Juni 2004 aufgelöst wird;
- die Beklagte zu verurteilen, sie für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. über den 30. Juni 2004 hinaus zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Erzieherin bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen;
- hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, an sie am 01. Juli 2004 EUR 20.772,90 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit diesem Tag zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht gewesen, nach § 9 Abs. 8 RaSchO bestehe kein Zahlungsanspruch der Klägerin.
Das Arbeitsgericht Hanau hat mit einem am 23. April 2004 verkündeten, der Klägerin am 18. Mai 2004 zugestellten Urteil – 4 Ca 192/03 (Bl. 8...