Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahmeverzug durch den Ausspruch der unwirksamen Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Arbeitgeber ist für die Annahme eines böswilligen Unterlassens im Rahmen eines Annahmeverzugsanspruchs darlegungs- und beweispflichtig. Allerdings kann dem Arbeitgeber hierbei ein Auskunftsanspruch zur Seite stehen. 2. Im Hinblick auf den Annahmeverzugslohn bei einer offensichtlich unwirksamen Kündigung muss der Arbeitgeber darlegen, dass dem Arbeitnehmer ein konkretes und zumutbares Jobangebot gemacht wurde, das er vorsätzlich ignoriert hätte.
Normenkette
BGB § 611a Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 09.09.2020; Aktenzeichen 14 Ca 4139/19) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 9. September 2020 - 14 Ca 4139/19 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz zuletzt noch über die Frage, ob die Beklagte dem Kläger Annahmeverzugsansprüche nach Ausspruch einer unwirksamen Kündigung schuldet.
Die Beklagte ist ein Luftfracht- und Logistikdienstleister am Flughafen A. Sie beschäftigte mehr als zehn Arbeitnehmer.
Auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 28. Juni 2017 war der Kläger bei der Beklagten unter Anrechnung einer Betriebszugehörigkeit seit dem 1. September 2003 als Betriebsleiter angestellt. Auf den Arbeitsvertrag Bl. 6 - 15 der Akte wird verwiesen. Das Bruttomonatsgehalt belief sich durchschnittlich auf 4.859,56 Euro. Der Kläger ist verheiratet und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Im Juli 2019 war er 38 Jahre alt.
Mit Schreiben vom 17. Mai 2019 machte der Kläger für seine am 10. April 2019 geborene Tochter Elternzeit in der Zeit vom 10. Juli 2019 bis 9. August 2019 und vom 10. April 2020 bis 9. Mai 2020 geltend. Der Eingang seines Antrags wurde ihm mit Schreiben vom 27. Mai 2019 bestätigt.
Die Beklagte sprach dem Kläger mit Schreiben vom 24. Juni 2019 eine außerordentliche Kündigung aus. Hiergegen hat der Kläger beim Arbeitsgericht am 1. Juli 2019 Kündigungsschutzklage erhoben.
Mit Schreiben vom 29. Juni 2019 hat der Kläger aufgrund der außerordentlichen Kündigung seinen Antrag auf Elternzeit- und Elterngeld zurückgenommen. Unter den 24. Juli 2019 wurde ihm dies von dem hessischen Amt für Versorgung und Soziales Darmstadt bestätigt (Bl. 250 der Akte).
Die Agentur für Arbeit Gießen hat mit Bescheid vom 9. September 2019 eine Sperrzeit bis zum 16. September 2019 verhängt. Mit Bescheid vom 28. August 2019 ist für den Zeitraum ab dem 17. September 2019 bis 30. September 2019 ein Leistungsbetrag von täglich 63,28 Euro festgesetzt worden (Bl. 78 der Akte).
Der Kläger hat gemeint, die außerordentliche Kündigung sei unwirksam. Sie verstoße bereits gegen § 18 BEEG. Ihm stünde ein Anspruch auf Annahmeverzug für den Zeitraum Juli 2019 bis Dezember 2019 zu. Die von der Agentur für Arbeit erhaltenen Leistungen lasse er sich anrechnen. Ihm sei es nicht möglich gewesen, seine Arbeitsleistung anderweitig zu verwenden. Auch habe er dies nicht böswillig unterlassen. Er habe sich ordnungsgemäß bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und sei sämtlichen Bestrebungen, einen neuen Arbeitsplatz vermittelt zu bekommen, nachgegangen. Es werde bestritten, dass die Beklagte dem Kläger im Oktober 2019 eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit angeboten habe. Der konkrete Name des Unternehmens oder Kontaktdaten seien zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt worden.
In dem Verhandlungstermin am 20. Mai 2020 ist für die Beklagte niemand erschienen. Auf Antrag des Klägers ist ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil ergangen (Bl. 173 der Akte). Dieses Versäumnisurteil ist der Beklagten am 2. Juni 2020 zugestellt worden. Am 3. Juni 2020 hat sie hiergegen Einspruch eingelegt.
Zuletzt hat der Kläger beantragt,
das Versäumnisurteil vom 20. Mai 2020 aufrecht zu erhalten.
Die Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat gemeint, das Arbeitsverhältnis sei erheblich belastet. Die Kündigung sei in Unkenntnis des Antrags auf Elternzeit im Personalbüro ausgesprochen worden. Sie hat behauptet, dass der Kläger bereits seit geraumer Zeit bei der Firma B in C arbeite. Dem Kläger stünde kein Anspruch auf Annahmeverzug zu. Er müsse sich nach § 615 Satz 2 BGB den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er durch anderweitige Verwendung seiner Dienste zu erwerben böswillig unterlassen habe. Dem Kläger sei bekannt, dass im Bereich Personal in der Frachtabfertigung am Flughafen nach Arbeitnehmern gesucht werde. Hätte er z.B. eine Tätigkeit als Schichtleiter angenommen, hätte er unproblematisch ein Bruttogehalt zwischen 3.400 bis 3.800 Euro erzielen können. Die Beklagte hat auch bestritten, dass die angegebene Höhe des Arbeitslosengeldes von 885,92 Euro zutreffend sei. Mit Schriftsatz vom 14. Januar 2020 hat sie vorgetragen, dass am A Flughafen zahlreiche Stellen im Cargobereich bei gängigen Jobportalen wie z.B. D oder E a...