Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfändbarkeit einer Nachtzulage nach dem Lohntarifvertrag für das Bewachungsgewerbe im Land Hessen. Rechtsnatur einer Vorpfändung. Voraussetzungen der Durchbrechung der Pfändungsgrenzen gem. § 850c ZPO
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Nachtzulage gem. § 5 des Lohntarifvertrages für das Bewachungsgewerbe im Lande Hessen ist nicht unpfändbar.
2. Auch bei einer Vorpfändung als private Vollstreckungsmaßnahme sind die gesetzlichen Grenzen der Pfändbarkeit einzuhalten.
3. Entscheidung des Vollstreckungsgerichts über eine Durchbrechung der Pfändungsgrenzen gem. § 850c ZPO.
Normenkette
ZPO §§ 850c, 850a Nr. 3, §§ 845, 850d
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 01.06.1988; Aktenzeichen 7 Ca 2147/88) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Wiesbaden vom 01.06.1988 - 7 Ca 2147/88 - abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 396,70 (i.W.: Dreihundertsechsundneunzig 70/100 Deutsche Mark) nebst 4 % Zinsen seit dem 02.04.1988 zu bezahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges trägt die Klägerin 6/7, die Beklagte 1/7; die Kosten der Berufung trägt die Klägerin zu 3/5, die Beklagte zu 2/5.
Der Streitwert für die Berufung wird auf DM 1.082,-- festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Klägerin steht gegen den Wachmann Xxx, ihren früheren Ehemann, ein rechtskräftig ausgeurteilter Anspruch auf Unterhalt zu. Der Unterhaltsschuldner stand bis zum 31.12.1987 in den Diensten der Beklagten, wobei streitig ist, ob das Arbeitsverhältnis am 1.6. oder am 1.7.1987 begonnen hatte. Für die Zeit ab 1.7.1987 bestimmte sich der Inhalt des Arbeitsverhältnisses nach dem Arbeitsvertrag vom gleichen Tage (s. Bl. 37 - 40 d.A.). Gegen seine fristlose Entlassung hatte sich der Schuldner der Klägerin nicht zur Wehr gesetzt (s. Bl. 4 d.A.). Seine Bezüge für die Monate Juli bis Dezember 198 7 ergeben sich aus den Abrechnungen Bl. 48 - 53 d.A.
Die Klägerin hat der Beklagten am 8.8.1987 das aus Bl. 9 d.A. ersichtliche "vorläufige Zahlungsverbot" vom gleichen Tage zugestellt und die Lohnansprüche des Schuldners, über die jeweils am 10. des Folgemonats abgerechnet wurde, durch den der Beklagten am 18.08.1987 zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 17.8.1987 gepfändet und sich zur Einziehung überweisen lassen. Nach dem Pfändungsbeschluß waren dem Schuldner monatlich nur 600,--DM zu belassen (s. Bl. 11 - 13 d.A.). Das vorläufige Zahlungsverbot enthält die Formulierung:
" ... (§ 850 folgende ZPO) Pfändungsgrenze ist zu beachten."
Die Beklagte hat der Klägerin für die Monate Juli, August, Oktober und November 1987 die auf Bl. 62, 63 d.A. wiedergegebenen Beträge überwiesen. Diese Auszahlung hat die Klägerin mit näherer Begründung, auf die Bezug genommen wird, für unzureichend und fehlerhaft gehalten (s. Bl. 1 - 8, 68 - 75 d.A.) und beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.500,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 2. April 1988 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die rechtliche und die rechnerische Richtigkeit ihrer Abrechnungen verteidigt (s. Bl. 33 - 36, 76 - 78 d.A.) und die Klage für unbegründet gehalten.
Dem ist das Arbeitsgericht durch Urteil vom 1.6.1988, auf dessen Inhalt zur Ergänzung des Tatbestandes verwiesen wird (s. Bl. 81 - 86 d.A.) gefolgt. Gegen das der Klägerin am 30.06.1988 zugestellte Urteil (s. Bl. 87 d.A.) richtet sich deren am 21.07.1988 eingelegte und begründete Berufung. Der Berufungsangriff der Klägerin beschränkt sich auf die Rüge, bei zutreffender Abrechnung und hinreichender Beachtung der Vorpfändung vom 8.8.1987 schulde die Beklagte ihr für den Monat Juli 1987 noch 732,71 DM, für den Monat September 1987 weitere 849,41 DM sowie aus der Pfändung des Urlaubsentgelts restliche 232,59 DM (s. Bl. 84 - 88, 102 -106 d.A.).
Die Klägerin beantragt nunmehr,
das Urteil des Arbeitsgerichtes Wiesbaden vom 1.6.1988 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin DM 1.082,-- nebst 4 % Zinsen seit dem 30.3.1988 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil mit den aus Blatt 94 - 96 d.A. ersichtlichen Argumenten.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.
1. Der Klägerin ist darin beizupflichten, daß die dem Schuldner gemäß § 5 des Lohntarifvertrages für das Bewachungsgewerbe im Lande Hessen gewährte Nachtzulage keine absolut unpfändbare Erschwerniszulage im Sinne des § 850a Nr. 3 ZPO ist. Das Berufungsgericht folgt insoweit der herrschenden Meinung, die eine solche Unpfändbarkeit nur dann bejaht, wenn die Zulage nicht nur dazu dient, einen Ausgleich für die ungünstige oder unbequeme Lage der Arbeitszeit zu schaffen, sondern darüber hinaus das Ziel verfolgt, eine Erschwernis abzugelten, die durch die Art der Arbeit, ihre Eigentümlichkeit, verursacht wird (vgl. Bock-Speck, Einkommenspfändung 1964 S. 53, 63; Zöller-Stöber, ZPO,15. Auflage, § 850a Rdn. 10 mit...