Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingten Änderungskündigung hinsichtlich des Arbeitsbeginns
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch ohne ausdrückliche arbeitsvertragliche Regelung konkretisiert sich ein Arbeitsverhältnis hinsichtlich des Arbeitsbeginns auf die jahrelang beibehaltene Übung (hier: Arbeitsbeginn 06:00 Uhr).
2. Eine Änderungskündigung, durch die der Arbeitsbeginn auf 10.00 Uhr oder 11.00 Uhr verlegt werden soll, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn es im Betrieb keinen anderen Arbeitnehmer gibt, der um 10.00 Uhr oder 11.00 Uhr seine Arbeit beginnt.
Normenkette
KSchG §§ 1-2
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 06.12.2012; Aktenzeichen 21 Ca 4260/12) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. Dezember 2012 - Aktenzeichen 21 Ca 4260/12 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung der Beklagten.
Die Beklagte ist ein Logistikunternehmen, das alleine in seiner Niederlassung in A mehr als 10 Arbeitnehmer im Sinne des § 23 KSchG beschäftigt.
Der 49-jährige (geboren am xxx), verheiratete Kläger wurde bei der Beklagten ab dem 28. September 1998 als Arbeitnehmer beschäftigt, zuletzt seit dem 1. November 2003 aufgrund Änderungsvertrag der Parteien vom 23. Oktober 2003 (Bl. 63 d. A.) im Bereich Werkstatt/Schlosserei. Die Aufgabe des Klägers bestand in erster Linie in der Reparatur von Wechselbrücken. Sein Arbeitsbeginn lag bei 06:00 Uhr. Als Vergütung erhielt der Kläger von der Beklagten 2.530,00 EUR brutto im Monat. Mit Schreiben vom 24. November 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger betriebsbedingt ordentlich zum 24. April 2012. Auf die Kündigungsschutzklage des Klägers stellte das Arbeitsgericht Frankfurt am Main mit am 11. Juni 2012 verkündeten Urteil - Az. 21 Ca 8023/11 - fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch diese Kündigung nicht beendet wurde.
Mit Schreiben vom 12. Juni 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger daraufhin erneut betriebsbedingt, diesmal ordentlich zum 30. November 2012 und dem Angebot, das Arbeitsverhältnis ab dem 1. Dezember 2012 als Lagermitarbeiter mit einem Arbeitsentgelt in Höhe von 2.150,00 EUR brutto im Monat, einem Arbeitsbeginn ab 11:00 Uhr sowie einer täglichen Arbeitszeit von 7,36 Stunden zu ansonsten unveränderten Arbeitsbedingungen fortzusetzen. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Kündigungsschreibens der Beklagten vom 12. Juni 2012 wird auf Bl. 9 und 10 d. A. Bezug genommen.
Mit Anwaltsschreiben vom 22. Juni 2012 (Bl. 11 d.A.) ließ der Kläger die Annahme des Änderungsangebotes der Beklagten unter dem Vorbehalt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial nicht ungerechtfertigt sei, erklären.
Die Werkstatt/Schlosserei wird nach Kündigung der Firma B mit Schreiben vom 20. November 2013 zum 15. Dezember 2013 seit dem wieder von der Beklagten mit einigen Arbeitnehmern betrieben. Der Kläger beginnt seine Arbeitstätigkeit im Lager, nachdem er zunächst nach Ablauf der Kündigungsfrist mit Arbeitsbeginn arbeitstäglich ab 10.00 Uhr beschäftigt wurde, derzeit (wieder) um 06.00 Uhr täglich.
Mit seiner bereits am 22. Juni 2012 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main erhobenen und der Beklagten am 29. Juni 2012 (Bl. 13 d. A.) zugestellten Klage, hat sich der Kläger, soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse, gegen die Wirksamkeit der Änderungskündigung der Beklagten vom 12. Juni 2012 gewandt.
Wegen des Weiteren erstinstanzlichen Vorbringens und der Anträge der Parteien wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. Dezember 2012 - Az. 21 Ca 4260/12 (Bl. 99 - 103 d. A.) - Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat, soweit für das Berufungsverfahren von Interesse, mit dem am 6. Dezember 2012 verkündeten Urteil - Az. 21 Ca 4260/12 (Bl. 99 - 108 d. A.) - der Änderungsschutzklage stattgegeben und festgestellt, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen gemäß der Änderungskündigung der Beklagten vom 12. Juni 2012 sozial ungerechtfertigt sind. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Änderungsschutzklage sei bereits deshalb begründet, weil sich die Beklagte mit dem angebotenen Arbeitsbeginn 11:00 Uhr - statt tatsächlich bisher 06:00 Uhr - ohne Begründung unverhältnismäßig weit vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernt habe. Das erstinstanzliche Urteil ist der Beklagten am 28. Februar 2013 (Bl. 109 d. A.) zugestellt worden. Die Berufung der Beklagten ist am 25. März 2013 (Bl. 111 ff. d. A.) und die Berufungsbegründung, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf rechtzeitigen Antrag hin bis zum 28. Mai 2013, am 28. Mai 2013 (Bl. 127 ff. d. A.) bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen.
Die Beklagte ...