Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Bekleidung hoher Ämter in der NPD durch den Arbeitnehmer. Anforderungen an die Beteiligung des Personalrats
Leitsatz (amtlich)
Kündigt ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos wegen eines Dauertatbestands (Bekleidung hoher Ämter in der NPD), den er zunächst nur zum Anlass einer ordentlichen Kündigung genommen hat, ohne dass diesbezüglich eine Änderung des Sachverhalts eingetreten ist, muss er darlegen, warum ihm nun die Einhaltung der Kündigungsfrist unzumutbar sein soll (vgl. auch BAG 14.11.1980 - 7 AZR 655/78).
Widerspricht der Personalrat der Kündigung u. a. mit dem Argument, die NPD sei bislang nicht verboten, es sei nicht erkennbar, wie § 41 TVöD über den Einzelfall hinaus beim Arbeitgeber angewendet werde und beruft er sich auf Art. 21 GG und auf § 61 HPVG, kann dies nicht als unbeachtliche Verweigerung der Zustimmung angesehen werden. Eine ohne Anrufung der Einigungsstelle ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 108 BPersVG unwirksam.
Normenkette
BGB § 626; HPVG § 77 Abs. 2 Buchst. i, § 69 Abs. 1-2, § 70 Abs. 5, § 71 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 04.12.2014; Aktenzeichen 1 Ca 4246/14) |
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 04.12.2014; Aktenzeichen 1 Ca 4657/14) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 4. Dezember 2014 - 1 Ca 4246/14 - und gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 4. Dezember 2014 - 1 Ca 4657/14 - wird einschließlich des Auflösungsantrags zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten auch zweitinstanzlich um die Wirksamkeit einer ordentlichen und einer außerordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung, um Weiterbeschäftigung sowie auf zweitinstanzlichen Auflösungsantrag der Beklagten hin um die Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses.
Der Kläger war bei der beklagten Stadt aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrags vom 8. Juli 2010 (Bl. 5, 6 d.A.) ab dem 16. Juli 2010 zunächst befristet als Vollzeitbeschäftigter mit der Entgeltgruppe 6 TVöD beschäftigt. Mit Arbeitsvertrag vom 5. Januar 2011 (Bl. 7, 8 d.A.) wurde er unbefristet ab dem 1. Januar 2011 als Vollzeitbeschäftigter eingestellt. Auf Wunsch der A GmbH und mit seinem Einverständnis teilte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 8. Juli 2010 (Bl. 10 d.A.) ab dem 16. Juli 2010 der A GmbH zur Dienstleistung zu, wobei sie darauf hinwies, dass diese Zuweisung jederzeit von ihrer Seite widerrufen werden kann. Wegen der Einzelheiten des Arbeitsvertrags und der Abordnung wird auf die zur Akte gereichten Abschriften Bl. 7, 8 sowie Bl. 10 d.A. Bezug genommen. Die A GmbH betreibt als gemeinsame Einrichtung mit der B das Jobcenter in C , in dem der Kläger seit Beginn seiner Tätigkeit eingesetzt ist. Bei der Beklagten besteht ein Personalrat.
Wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens, ihrer Anträge, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils 1 Ca 4657/14 und 1 Ca 4246/14 verwiesen.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat der gegen die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 4. Juli 2014 gerichteten Klage mit Urteil vom 4. Dezember 2014 (1 Ca 4657/14) stattgegeben. Es hat angenommen, ein wichtiger, die Kündigung rechtfertigender Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB liege weder im Hinblick auf die parteipolitische Betätigung des Klägers noch im Hinblick auf die im Verfahren 14 SaGa 812/14 vor der erkennenden Kammer abgegebene eidesstattliche Versicherung vom 20. Juni 2014 vor. Zwar sei eine eidesstattliche Versicherung, die eine unwahre Sachverhaltsdarstellung enthalte und im Prozess gegen den Arbeitgeber vorsätzlich abgegeben werde, grundsätzlich als "an sich" geeigneter verhaltensbedingter Kündigungsgrund anzusehen. Mit einer solchen könne auch der Tatbestand eines (versuchten) Prozessbetrugs verwirklicht sein. Hiervon könne jedoch auf Grundlage der dargelegten tatsächlichen Umstände im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden, da es dem Kläger offensichtlich nicht darum gegangen sei, das Gericht über den Umstand, dass zum Zeitpunkt der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bereits eine ordentliche Kündigung durch die Beklagte erfolgt war, zu täuschen. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der eidesstattlichen Versicherung, die zwar teilweise objektiv falsch sei, im Hinblick auf die später erfolgte Richtigstellung innerhalb der eidesstattlichen Versicherung jedoch nur als widersprüchlich angesehen werden müsse. Diese Widersprüchlichkeit habe durch Auslegung des Textes im Gesamtzusammenhang ohne weiteres aufgelöst werden können und der Hinweis der erkennenden Kammer vom 25. Juni 2014 belege, dass die Vorsitzende der erkennenden Kammer des Hessischen Landesarbeitsgerichts diese Fehlerhaftigkeit der Darstellung in der eidesstattlichen Versicherung auch be...