Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassungsanspruch im Betriebsverfassungsrecht
Leitsatz (amtlich)
Enthält ein Tarifvertrag, in dem die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit ab einem bestimmten Stichtag vereinbart ist, keine Regelung darüber, wie zu verfahren ist, wenn es bis zu diesem Stichtag noch nicht zu einer Einigung über die Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat gekommen ist, so kann der Arbeitgeber in engen Grenzen, die durch die bisher bestehende Arbeitszeitregelung gerecht werden, nach billigem Ermessen die Arbeitszeitverkürzung bis zu einer Einigung der Betriebsparteien bzw. einem Einigungsstellenspruch einseitig vornehmen (im Anschluß an LArbG Frankfurt Entscheidung vom 10.12.1985, 4 Ta BV Ga 74/86).
Normenkette
BetrVG § 87
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Beschluss vom 07.04.1988; Aktenzeichen 6 BV Ga 22/88) |
Tenor
Die Beschwerde des Beschwerdeführers und Antragstellers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 07.04.1988 – 6 BV Ga 22/88 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um das Recht der Arbeitgeberin, einseitig die am 01.04.1988 in Kraft getretene Arbeitszeitverkürzung um 1 Stunde in der Druckindustrie vorzunehmen, bevor es zu einem Beschluß der Einigungsstelle über diese Frage gekommen ist.
Die Beteiligte zu 2) und Antragsgegnerin ist ein Unternehmen der Druckindustrie. Der Beteiligte zu 1) und Antragsteller ist der bei ihr gebildete Betriebsrat. Für die Arbeitnehmer des Betriebes ist der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 06.05.1987 anwendbar. In dessen § 3 ist geregelt:
„1) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 38,5 Stunden. Ab 1. April 1988 beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 37,5 Stunden, ab 01.04.1989 37 Stunden. Die wöchentliche Arbeitszeit ist für den einzelnen Arbeitnehmer auf 5 Tage zu verteilen … Arbeitzeitverteilungspläne über mehrere Wochen sind zulässig …”
In den ebenfalls im Tarifvertrag enthaltenen Durchführungsbestimmungen zu § 3 heißt es:
„…2) Die durch Verkürzung der Wochenarbeitszeit entstehende Freizeit ist auf der Basis einer Quartals-, Halbjahres- oder Jahresplanung, die jeweils rechtzeitig durch Betriebsvereinbarung zu regeln ist, wie folgt zu verteilen:
- Verteilung gleichmäßig (ergibt 38,5/37,5/37 Stunden pro Woche) oder
- bezahlte Freistellung in Stunden, verteilt auf die Arbeitswochen des Quartals, Halbjahres oder Jahres oder
- bezahlte Freistellung in Tagen, verteilt auf die Arbeitswochen des Quartals, Halbjahres oder Jahres oder
- Kombination aus b) bis c).
Seit Einführung der 38,5-Stunden-Woche galt im Betrieb der Antragsgegnerin folgende, auf einer Betriebsvereinbarung beruhende Arbeitzeitregelung:
„Normalarbeitszeit:
Montag bis Donnerstag |
7.00–16.00 Uhr |
Freitag |
7.00–12.45 Uhr |
Schichtbereich
a) |
Frühschicht |
– Montag bis Donnerstag |
6.00–14.15 Uhr |
|
Freitag |
6.00–12.45 Uhr |
b) |
Spätschicht |
– Montag bis Donnerstag |
14.00–22.15 Uhr |
|
Freitag |
12.30–19.15 Uhr |
Die Kernarbeitszeit bei der Antragsgegnerin lag von 9.00–16.00 Uhr, die Gleitzeit von 7.00–9.00 Uhr und von 16.00–18.00 Uhr.
Seit November 1987 verhandelten die Beteiligten über eine Betriebsvereinbarung über die Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung um 1 Stunde ab dem 01.04.1988. Nachdem die Einigungsbemühungen erfolglos waren, beantragte die Antragsgegnerin am 28.03.1988 beim Arbeitsgericht die Bestellung eines Vorsitzenden der Einigungsstelle über diese Frage. Mit Aushang vom 31.03.1988 teilte sie mit, daß sie einstweilen vorläufig die Arbeitszeit einseitig festsetze, und zwar die für die Normalarbeitszeit montags bis donnerstags von 7.00 Uhr bis 15.45 Uhr, für die Frühschicht montags bis donnerstags von 6.00 Uhr bis 14.00 Uhr und für die Spätschicht montags bis donnerstags vom 13.45 Uhr bis 21.45 Uhr. Die Arbeitszeit an den Feiertagen bleibe unverändert, bei den Gleitzeitangestellten verringere sich die Sollarbeitszeit von montags bis donnerstags um je eine Viertelstunde.
Bereits im Jahre 1985 hatte die Antragsgegnerin die ab dem 01.04.1985 geltende wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden mangels Einigung der Betriebsparteien vor dem 01.04.1985 – einseitig umgesetzt. In einem einstweiligen Verfügungsverfahren wurde der Antragsgegnerin damals rechtskräftig durch Beschluß des Landesarbeitsgerichts vom 10.12.1985, (4 TaBVGa 74/85) untersagt, ohne Zustimmung des Betriebsrats die Arbeitszeit in der Repro-Abteilung in einer bestimmten Weise festzusetzen. In der Begründung führte das Landesarbeitsgericht aus, daß einerseits zwar ein zwingendes Mitbestimmungsrecht bei der Arbeitszeitverteilung bestehe, andererseits aber der Arbeitgeber die nunmehr geltende Tariflage zu beachten habe. In diesem Dilemma müsse er bei einem Nichtvorliegen einer Einigung grundsätzlich die Arbeitszeitverkürzung einseitig vornehmen können, sich dabei aber eng an die bisherige Arbeitszeitregelung halten. Bezüglich der Arbeitnehmer in der Repro-Abteilung und bestimmter anderer Arbeitnehmer sei di...