Entscheidungsstichwort (Thema)
Benachteiligung wegen Behinderung. keine Einladung zum Vorstellungsgespräch. offensichtliches Fehlen der Eignung. Auskunftsansprüche
Leitsatz (amtlich)
1. Die verzögerte Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung über den Eingang einer Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen ist allein nicht geeignet, die Vermutung der Benachteiligung wegen Behinderung zu begründen, wenn die Schwerbehindertenvertretung noch so rechtzeitig unterrichtet wird, dass sie bei der Vorauswahl die Belange der schwerbehinderten Bewerber vertreten kann.
2. Die Pflichten nach § 81 Abs 1 S 7 – 9 SGB 9 bestehen nur, wenn der Arbeitgeber seine gesetzliche Beschäftigungspflicht nach § 71 SGB 9 nicht erfüllt.
3. Ein Anspruch auf Mitteilung der Entscheidungsgründe folgt weder aus § 15 AGG noch aus § 242 BGB. Für einen solchen Auskunftsanspruch besteht neben der Beweislastregelung des § 22 AGG kein Raum.
Orientierungssatz
Einem schwerbehinderten Bewerber fehlt offensichtlich die Eignung für eine ausgeschriebene Stelle, wenn ihm die zu Recht geforderte praktische Berufserfahrung fehlt.
Normenkette
SGB IX § 81 Abs. 1 Sätze 7-9, § 71; BGB § 242; AGG §§ 22, 15 Abs. 2, § 6 Abs. 1 S. 2, § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 Abs. 1; SGB IX § 81 Abs. 2, 1, §§ 82, 95 Abs. 2, § 93; AGG § 3 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Urteil vom 06.02.2008; Aktenzeichen 3 Ca 291/07) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 06. Februar 2008 – 3 Ca 291/07 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte an den Kläger eine Entschädigung wegen Benachteiligung aufgrund Behinderung zu zahlen hat und ob sie dem Kläger Auskunft über die Qualifikation, den Status der Behinderung, das Geschlecht und das Alter des erfolgreichen Bewerbers erteilen muss.
Die Beklagte ist eine Gebietskörperschaft im Kreis A. Im Jahr 2006 waren durchschnittlich 8,53% ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt. In der „B” vom 18. November 2006 schrieb die Beklagte die Stelle einer Fachkraft für Kämmerei und Stadtkasse aus. Laut Stellenausschreibung (Bl. 56 d. A.) umfasst das Aufgabengebiet insbesondere
- Abwicklung des Zahlungsverkehrs und des Belegwesens
- Kontierung und Buchung der Bankauszüge
- Sachbearbeitung der Beitreibung (Mahnung und Vollstreckung)
- Mitarbeit bei der Einführung der kommunalen Doppik; Aufbau einer doppelten Buchführung und Umstellung der Buchhaltung von der Kameralistik auf die Doppik
- Publikumsverkehr
Als Einstellungsvoraussetzungen sind u. a. genannt:
- eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung
- einschlägige Berufserfahrung und EDV-Kenntnisse
- umfassende Kenntnisse der Kameralistik bzw. der kommunalen Doppik oder der kaufmännischen Buchführung
Mit Schreiben vom 20. November 2006 bewarb sich der am 25. März 1962 geborene, verheiratete und mit einem Grad der Behinderung von 60 schwerbehinderte Kläger auf diese Stellenanzeige und wies auf seine Schwerbehinderung hin. Wegen des Inhalts der Bewerbungsunterlagen wird auf Bl. 33 – 55 d. A. Bezug genommen. Vor der Bewerbung hatte der als Krankenpfleger ausgebildete Kläger, der aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr als Krankenpfleger einsetzbar war, eine vom Rentenversicherungsträger geförderte Umschulung zum Verwaltungsfachangestellten absolviert und am 28. September 2006 erfolgreich abgeschlossen. Wegen der Lerninhalte der Ausbildung wird auf den Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf Verwaltungsfachangestellter/Verwaltungsfachangestellte (Bl. 72 – 93 d. A.) und auf den Stoffgliederungsplan für die Auszubildenden im Ausbildungsberuf des Verwaltungsfachangestellten der Bayerischen Verwaltungsschule (Bl. 94 – 151 d. A.) verwiesen. Wegen der Einzelheiten der Prüfungsfächer und Prüfungsergebnisse wird auf Bl. 35 f. d. A. Bezug genommen.
Am 19. März 2007 informierte die Beklagte den Kläger – wie auch die übrigen Bewerber – darüber, dass wegen einer Stellenbesetzungssperre noch keine Entscheidung über die zu besetzende Stelle getroffen sei. Mit Schreiben vom 17. Juli 2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sich für einen anderen Bewerber entschieden zu haben. Daraufhin forderte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 27. Juli 2007 unter Hinweis auf Verfahrensverstöße nach §§ 81 Abs. 1, 82 SGB IX auf, eine Pflicht zur Zahlung einer angemessen Entschädigung wegen Diskriminierung anzuerkennen. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 22. August 2007 eine Entschädigungszahlung ab und begründete die Ablehnung der Bewerbung und die fehlende Einladung zum Vorstellungsgespräch damit, dass der Kläger die Voraussetzungen für die Stelle nicht erfülle. Der Kläger hat am 15. August 2007 die vorliegende Klage auf Zahlung einer Entschädigung und Erteilung von Auskunft erhoben, die der Beklagten am 29. August 2007 zugestellt worden ist.
Der Kläger hat behauptet, von der Beklagten im Bewerbungsverfahren wegen seiner Behinderung diskriminiert worden zu sein. Für die Diskr...