Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubskassenbeiträge. polnisches Bauunternehmen. Allgemeinverbindlichkeitserklärung. Erstreckung
Leitsatz (amtlich)
1.Zur Frage, ob von einem polnischen Unternehmen unter Einschluss der Tätigkeiten in Polen arbeitszeitlich überwiegend bauliche Leistungen erbracht worden sind.
2.Zu den Voraussetzungen einer Betriebsabteilung iSv § 211 Abs. 1 SGB III
3.Werden von einem polnischen Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland durch nach Deutschland entsandte polnische Arbeitnehmer Elemente aus Stahl, die in Polen nach den Wünschen des jeweiligen Auftraggebers gefertigt worden waren, zu Stahlhallen mittels Verschraubens und Verschweißens zusammengefügt, so handelt es sich dabei um eine Tätigkeit, die von dem fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie erfasst wird. Auf derartige Betriebe erstreckt sich die Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Bautarifverträge nach der entsprechenden Einschränkung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung nicht. Damit schuldet das polnische Unternehmen auch nicht die Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen an die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft.
Normenkette
AEntG § 1; TVG § 5
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 7. August 2003 – 5 Ca 2270/02 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen bezüglich ihrer in Deutschland im Zeitraum von September bis Dezember 2000 beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütung zu sichern. Nach § 8 Ziff. 15.1 des für allgemeinverbindlich erklärten Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV/Bau) haben die baugewerblichen Arbeitgeber, die dazu erforderlichen Mittel durch Beiträge aufzubringen. Auf diese Beiträge hat der Beklagte einen unmittelbaren Anspruch. Die Höhe der Beiträge, der Beitragseinzug sowie die Leistungen des Beklagten sind in einem ebenfalls für allgemeinverbindlich erklärten Verfahrenstarifvertrag (VTV), für das Kalenderjahr 2000 in der Fassung vom 20.12.1999, geregelt.
Die Beklagte ist eine 1993 gegründete Gesellschaft polnischen Rechts mit Sitz in … (Polen). Sie hat sich auf die Herstellung, die Projektierung und die Montage von Stahlkonstruktionen spezialisiert und realisiert Aufträge sowohl in Polen wie im europäischen Ausland. Die Elemente der in Auftrag gegebenen Stahlkonstruktionen (Hallen, Brücken, Türme, Kamine etc.) werden in Polen gefertigt und, in einem zwischen den Parteien streitigen Umfang, anschließend an den jeweiligen Bestimmungsorten montiert.
Im Kalenderjahr 2000 unterhielt die Beklagte in … in den Räumen eines anderen Unternehmens eine Postadresse, im Folgejahr richtete sie dort ein Büro ein. Im Jahre 2000 führte die Beklagte in Deutschland in der Zeit von September bis Dezember mit Hilfe von ca 16 polnischen Arbeitnehmern, die zum deutschen Arbeitsmarkt zugelassen waren, zwei Projekte für deutsche Auftraggeber durch. Dabei wurden von der Beklagten in Polen gefertigte Stahlelemente in die Bundesrepublik transportiert und anschließend am Bestimmungsort zu Stahlhallen mittels Verschraubens und Verschweißens zusammengefügt.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte unterhalte einen baugewerblichen Betrieb im Sinne der für allgemeinverbindlich erklärten Bautarifverträge und sei deshalb verpflichtet, für ihre im Jahre 2000 in die Bundesrepublik Deutschland entsandten Arbeitnehmer Urlaubskassenbeiträge zu zahlen. Bei den sowohl in Polen wie in Deutschland durchgeführten Tätigkeiten der Beklagten handele es sich um bauliche Leistungen, nämlich um Trockenbau-, Montagebau- und Fassadenbauarbeiten. Die Höhe der Klageforderung errechne sich aus den Meldungen der Beklagten gegenüber den Landesarbeitsämtern bzw. aus den Prüfberichten der Dienststellen der Zoll- und Arbeitsverwaltung, denen die jeweilige Entsendedauer der in die Bundesrepublik Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer zu entnehmen sei, ferner aus der tarifvertraglichen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit, dem tarifvertraglichen Mindestlohn sowie dem tariflichen Beitragssatz für Urlaubskassenbeiträge.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 8.933,04 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, sie schulde dem Kläger nichts. Von ihrem Betrieb würden überwiegend keine baulichen Tätigkeiten durchgeführt, sondern Stahlkonstruktionen hergestellt. Im Kalenderjahr 2000 sei...