Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungsdauer. ergänzende Vertragsanpassung. Fortbildungskosten. Rückzahlung. Unklarheit
Leitsatz (amtlich)
Die ergänzende Vertragsauslegung einer Rückzahlungsklausel kommt in Betracht, wenn der Wegfall der Klausel ohne Ersatz eine unzumutbare Härte darstellen würde. Davon ist auszugehen, wenn sich das aus der Anwendung der Grundsätze über die wirksame Bindungsdauer ergebende Prognoserisiko im Einzelfall verwirklicht (im Anschluss an BAG 15. September 2009 – 3 AZR 173/08 –)
Eine Rückzahlungsklausel ist nicht unklar, wenn die Höhe der Ausbildungskosten nur der Größenordnung nach angegeben sind.
Eine Rückzahlungsvereinbarung ist nicht schon deshalb gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, weil sie keine Zusage auf ausbildungsgerechte Beschäftigung direkt im Anschluss an die Fortbildung enthält.
Normenkette
BGB § 307
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 24.09.2009; Aktenzeichen 21 Ca 3800/09) |
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 3 AZN 493/11) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 24. September 2009 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 22. März 2010 – 21 Ca 3800/09 – teilweise unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und wie folgt gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.533,11 EUR (in Worten: Viertausendfünfhundertdreiunddreißig und 11/100 Euro) netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. August 2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Klägerin 1/2 und der Beklagte 1/2, von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin 1/3 und der Beklagte 2/3 zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rückzahlung von Ausbildungskosten sowie im Wege der Widerklage um eine Bonuszahlung.
Die Klägerin, Widerbeklagte und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Klägerin) ist eine gesetzliche Krankenkasse. Der Beklagte, Widerkläger und Berufungskläger (im Folgenden: Beklagter) war bei der Klägerin vom 1. Juli 2001 bis zum 31. Dezember 2008 als Kundenbetreuer in der Regionalgeschäftsstelle Mitte-West in A beschäftigt. Zuletzt erhielt der Beklagte eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 4 gemäß der Anlage 1 zum Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer der B (ETV-B) vom 6. Dezember 2001 in der Fassung vom 23. Juni 2006, wegen dessen Regelungen auf Bl. 217 bis 227 d. A. verwiesen wird, in Höhe von 2.743,00 Euro brutto.
Nachdem der Beklagte am 1. Juli 2001 bei der Klägerin als sogenannter Quereinsteiger begonnen hatte, absolvierte er in der Zeit vom 1. August 2001 bis 18. Juli 2003 die Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten außerhalb eines Ausbildungsverhältnisses und bestand die Prüfung mit der Gesamtnote „sehr gut”. Im Jahre 2003 bewarb sich der Beklagte für ein bei der B-Akademie zu absolvierendes Fortbildungsstudium zum Krankenkassenbetriebswirt. Vor Aufnahme dieses Studium schloss er mit der Klägerin unter dem 14. Juni 2005 einen schriftlichen Fortbildungsvertrag (Bl. 14 – 17 d. A.), der u.a. folgende Bestimmungen enthält:
„§ 2 Ausbildungszeit
(1) Die Fortbildungsstudienzeit nach § 5 Abs. 1 SPO-FS/B-IKK beginnt am 01.08.2005 und endet mit dem Tage der mündlichen Prüfung.
§ 4 Entgelt / Kosten / Bindungsfrist
(1) Der Arbeitnehmer wird für die Dauer der Teilnahme zu den Fortbildungsmaßnahmen unter Fortzahlung des Entgelts freigestellt. …
(3) Die weiteren Kosten der Ausbildung, bestehend aus
- Seminargebühren (ca. 6.650,00 EUR)
- Reisekosten (ca. 400,00 EUR)
- Übernachtungs- und Verpflegungskosten (ca. 6.300,00 EUR)
- Fahrtkosten (abhängig vom Sitz der Dienststelle)
werden von der B vorläufig übernommen. Eine endgültige Kostenübernahme erfolgt erst dann, wenn der Arbeitnehmer nach Ende des Fortbildungsstudiums (§ 2) noch drei Jahre in einem Beschäftigungsverhältnis mit der B verblieben ist. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist der Arbeitnehmer nach Maßgabe des § 5 zur Rückzahlung verpflichtet.
§ 5 Rückzahlungsverpflichtungen
(1) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, die der B durch das Fortbildungsstudium gemäß § 4 Abs. 3 entstandenen Kosten zurückzuzahlen, wenn er
- …
- …
- nach Ablegung der Abschlussprüfung innerhalb von drei Jahren aus dem Beschäftigungsverhältnis mit der B auf eigenen Wunsch oder aus einem von ihm zu vertretenden Grund unter Beachtung der Regelung des § 4 Abs. 4 ausscheidet.
(2) Bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nach Ablegung der Abschlussprüfung innerhalb des in Abs. 1 Nr. 3 genannten Zeitraums erfolgt die Rückzahlung mit der Maßgabe, dass für jeden noch bis zum Ablauf der Drei-Jahres-Frist verbleibenden Monat 1/36 der Aufwendungen sofort zu erstatten sind.”
Nachdem der Beklagte den zur Aufnahme des Fortbildungsstudiums erforderlichen Vorbereitungslehrgang und die Vorbereitungsklausuren absolviert hatte, deren Kosten insgesamt 654,20 Euro betrugen und von der Klägerin übernommen wurden, nahm er am 1. August 2005 das ...