Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit einer vertraglichen Rückzahlungsklausel für Fortbildungskosten. Maximale Bindungsfrist von drei Jahren bei Rückzahlungsklauseln wegen Fortbildungskosten. Keine geltungserhaltende Reduktion unwirksamer Rückzahlungsklauseln
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Anspruch auf Rückzahlung von Fortbildungskosten ist nur rechtmäßig, wenn sie für den Arbeitnehmer von geldwertem Vorteil ist.
2. Bei einer Fortbildungsdauer von bis zu einem Monat ist eine Bindungsfrist von sechs Monaten, bei bis zu zwei Monaten von einem Jahr und darüber hinaus bis zu drei Jahren verhältnismäßig - bei Fortzahlung der Bezüge.
3. Eine generelle vertragliche Bindungsfrist von drei Jahren benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen.
4. Besonderen wirtschaftliche Aufwendungen können im Einzelfall eine andere Beurteilung rechtfertigen.
5. Die geltungserhaltende Reduktion einer unwirksamen Rückzahlungsklausel ist nicht möglich.
Normenkette
BGB § 305 Abs. 1, § 307 Abs. 1; BRTV Bau § 5
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 20.05.2020; Aktenzeichen 3 Ca 6445/19) |
Tenor
- Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20.05.2020 - 3 Ca 6445/19 - wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Fortbildungskosten bzw. um im Wege der Widerklage geltend gemachte Restvergütung.
Der Beklagte, geboren am 1996, absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Industrie-Isolierer bei der Klägerin. Nach deren erfolgreichem Abschluss schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag mit Wirkung zum 02.07.2015. Die Klägerin gewährte dem Beklagten zuletzt einen Stundenlohn von 16,50 € brutto. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe anwendbar.
Die Parteien vereinbarten unter dem 28.10.2018 einen Fortbildungsvertrag hinsichtlich der Teilnahme des Beklagten an der Fortbildungsveranstaltung "Werkpolier Industrie-Isolierer" vom 28.01. bis 08.03.2019. Im Fortbildungsvertrag war für die Dauer der Fortbildungsveranstaltung die Freistellung des Beklagten von der Arbeitsleistung geregelt. Ziffer 4 enthält die Erstattungspflicht der Klägerin gegenüber dem Beklagten bezüglich der Kosten der Ausbildung auf Nachweis.
Ziffer 5 des Fortbildungsvertrages lautet wie folgt:
"Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, die gemäß Ziffer 4 dieses Vertrages vom Arbeitgeber übernommenen Fortbildungskosten in vollem Umfang zu erstatten, falls er vor Ablauf von drei Jahren seit Beginn der Fortbildungsmaßnahme
- das Arbeitsverhältnis aus einem nicht vom Arbeitgeber veranlassten, auch nicht mitveranlassten Grund, durch den Arbeitnehmer gekündigt wird;
- der Arbeitnehmer seitens des Arbeitgebers aus einem von dem Arbeitnehmer zu vertretenden Grund gekündigt wird;
- ein Aufhebungsvertrag in Folge von verhaltensbedingten Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers geschlossen wird."
Ziffer 7 des Fortbildungsvertrages vom 22.10.2018 regelt Folgendes:
"Der Anspruch des Arbeitgebers auf Rückerstattung der Kosten reduziert sich ab dem Tag des erfolgreichen Abschlusses der Fortbildungsmaßnahme um monatlich 1/36. Nach Ablauf von drei Jahren seit Abschluss der Fortbildungsmaßnahme ist die Forderung des Arbeitgebers auf Rückerstattung der Fortbildungskosten somit erloschen."
Der Beklagte nahm an der Fortbildung teil. Die Kosten der Fortbildung betrugen insgesamt 7.257,41 €.
Mit Eigenkündigung vom 30.07.2019 beendete der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2019.
Mit Schreiben vom 05.08.2019 machte die Klägerin die Rückerstattung der Fortbildungskosten in Höhe von 6.249,44 € gegenüber dem Beklagten geltend. Dieser lehnte die Rückzahlung mit Schreiben vom 12.08.2019 ab.
Die Klägerin leistete dem Beklagten die Vergütung für August 2019 abzüglich eines Einbehaltes für Fortbildungskosten im Umfang von 1.153,72 €.
Die Klägerin verfolgt ihren restlichen Erstattungsanspruch mit ihrer Klage vom 29.09.2019, die am 01.10.2019 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, gegenüber dem Beklagten weiter. Der Beklagte wiederum macht im Wege der Widerklage vom 04.11.2019, die am selben Tag beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, restliche Vergütung für August 2019 geltend.
Die Klägerseite hat erstinstanzlich die Rechtsansicht vertreten, sie könne ihren Erstattungsanspruch aus Ziffer 5 des Fortbildungsvertrages vom 22.10.2018 herleiten. Der anteilig zu berechnende Erstattungsbetrag betrage insgesamt 6.249,44 €. Hiervon seien abzuziehen zu verrechnende Vergütungsansprüche für Juli 2019 im Umfang von 140,29 € und für August 2019 in Höhe von 1.153,27 €. Die Klägerin sei berechtigt, von der vom Bundesarbeitsgericht entwickelten üblichen Bindungsdauer hinsichtlich der Kosten von Fortbildungsveranstaltungen abzuweichen, da sie bei der Durchführung der Fortbildungsveranstaltung für den Beklagten erhebliche finanzielle Aufwendungen geleistet habe. Der Beklagte habe zudem außerordentliche Vorteile im Rahmen der absolvierten Fortbildun...