Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu lange Bindungsdauer für Rückzahlung von Fortbildungskosten. Unwirksame Rückzahlungsverpflichtung von Fortbildungskosten. Keine ergänzende Vertragsauslegung einer zu langen Bindungsdauer. Rechtsmissbrauch bei Einwand der Unwirksamkeit einer Rückzahlungsklausel
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Bindungsdauer von 24 Monaten bei einer Fortbildungsdauer von 25 Tagen und Kosten von ca. 6000 Euro ist unangemessen lang.
2. Die ergänzende, geltungserhaltende Reduktion einer zu weit gefassten Rückzahlungsklausel kommt mangels Schutzbedürftigkeit der Arbeitgeberin nicht in Betracht.
3. Die Berufung auf die Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel ist nicht rechtsmissbräuchlich.
Normenkette
BGB §§ 306-307, 310, 242; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 08.12.2020; Aktenzeichen 1 Ca 1396/20) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 08.12.2020 - 1 Ca 1396/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rückzahlung von Fortbildungskosten.
Die Beklagte war seit dem 07.03.2017 bei Klägerin als Pflegkraft beschäftigt, zuletzt in leitender Funktion eines Teams der Wohngemeinschaft Köln.
Im Zeitraum 14.01.2019 bis 04.06.2019 hat die Klägerin an 25 Arbeitstagen an einer Weiterbildungsmaßnahme zur Pflegeexpertin teilgenommen. Anlässlich dieser Fortbildung haben die Parteien unter dem 14.01.2019 eine Weiterbildungsvereinbarung abgeschlossen, die u. a. vorsieht, dass der Arbeitgeber die Kosten der Fortbildung übernimmt und die Beklagte sinngemäß verpflichtet ist, wenn sie innerhalb von 24 Monaten nach Abschluss der Weiterbildung das Arbeitsverhältnis kündigt, ohne dass dies auf vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers beruht, nach einer monatlichen Staffelung die Kosten in Höhe von bis zu 5.000,00 € zu erstatten. Wegen der Einzelheiten der Weiterbildungsvereinbarung vom 14.01.2019 wird auf Bl. 5 ff. d. A. verwiesen.
Nach Beendigung der Fortbildung hat die Klägerin an die Beklagte eine Leitungszulage von 200,00 € brutto monatlich gezahlt.
Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 11.09.2019 zum 15.10.2019 gekündigt hat, nimmt die Klägerin die Beklagte auf Erstattung von Ausbildungskosten in Höhe von 4.400,00 € in Anspruch.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 08.12.2020 (Bl. 48 ff. d. A.) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Rückzahlungsklausel aus dem von der Klägerin vorformulierten Weiterbildungsvertrag benachteilige die Beklagte unangemessen. Dies folge daraus, dass bei einer Fortbildungsdauer von 25 Arbeitstagen in der Regel eine Bindung von maximal einem Jahr statthaft sei. Die Beklagte habe aufgrund der Ausbildung keine überdurchschnittlichen Vorteile erlangt, etwa in Form eines formalisierten, anerkannten Abschlusses oder einer besonders hohen Qualifikation. Zudem sei die Rückzahlungsklausel mangels Transparenz unwirksam, denn nach dem Wortlaut sei nicht klar, ob hinsichtlich der Berechnung der Bindungsdauer auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung oder der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzustellen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichtes wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen das ihr am 14.01.2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.01.2021 Berufung eingelegt und diese am 04.03.2021 begründet.
Unter Bezugnahme und Vertiefung ihres Vortrags erster Instanz führt die Klägerin aus, die Beklagte sei unmittelbar vor Ausspruch der Eigenkündigung auf die Rückzahlung der Fortbildungskosten angesprochen worden und habe geäußert, dass dies kein Problem sei, der zukünftige Arbeitgeber habe bereits zugesichert, die Rückzahlung zu übernehmen. Die nunmehrige Weigerung der Beklagten zur anteiligen Erstattung der Ausbildungskosten sei widersprüchlich und treuwidrig. Darüber hinaus habe die Beklagte durch ihre Erklärung ihre Zahlungsverpflichtung deklaratorisch anerkannt und bestätigt. Die Bindungsdauer von zwei Jahren sei angemessen, denn die Beklagte erhalte durch das Zertifikat einer Pflegeexpertin für außerklinische Beatmung die Qualifikation, den Posten einer Fachbereichsleitung auszuüben, verbunden mit höherer Verantwortung, höherem Ansehen und höherem Gehalt. Die auf eigenen Wunsch erfolgte Zusatzqualifikation habe es der Beklagten ermöglicht, den Arbeitsplatz innerhalb kurzer Zeit wechseln und mehr Geld verdienen zu können. In der Pflegbranche herrsche ein erheblicher Fachkräftemangel. Die Beklagte habe zudem einen Vorteil erzielt, weil die tatsächlichen Ausbildungskosten 6.001,45 € betragen hätten, die Klägerin sich aber auf die Rückforderung von 5.000,00 € als Ausgangsgröße beschränkt habe. Die Rückzahlungsklausel sei auch nicht intransparent, da stets der Zugang der Kündigung maßgeblich sei. Es sei eine ergänzende Vertr...