Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung der vom Grundsicherungsträger zu übernehmenden Kosten für die Unterkunft
Orientierungssatz
1. Die tatsächlichen Kosten des Hilfebedürftigen für die Unterkunft und Heizung werden vom Grundsicherungsträger nach § 22 Abs. 1 SGB 2 übernommen, soweit diese angemessen sind.
2. Lässt sich eine angemessene Referenzmiete nicht bestimmen, so werden die vom Träger zu übernehmenden Kosten durch die Tabellenwerte zu § 12 WoGG zuzüglich eines Zuschlags von 10 % begrenzt.
3. Unangemessen hohe Kosten sind bei einer Verpflichtung des Leistungsempfängers zum Wohnungswechsel längstens für sechs Monate vom Leistungsträger zu übernehmen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 12. Mai 2016 geändert. Der Tenor des Beschlusses wird wie folgt gefasst:
"Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) unter Berücksichtigung von Bedarfen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 756,52 Euro monatlich für die Zeit vom 1. Mai 2016 bis zum 30. September 2016, längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt."
Die weitergehende Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat den Antragstellern die Hälfte ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Die am 16. Juni 2016 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Beschwerde des Antragsgegners mit dem sinngemäßen Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 12. Mai 2016 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen,
ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Streitgegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist nur der Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 12. Mai 2016, durch den der Antragsgegner verpflichtet wurde, den Antragstellern vorläufig Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit von Mai bis September 2016 zu gewähren, nicht dagegen der Teilbeschluss des Sozialgerichts vom 26. April 2016, durch den der Antragsgegner zur Leistungsgewährung für den Monat April 2016 verpflichtet wurde. Gegen den Teilbeschluss vom 26. April 2016 wurde kein Rechtsmittel eingelegt. Im Übrigen hat der Antragsgegner den Antragstellern mit Bescheid vom 28. April 2016 zwar Leistungen nach dem SGB II für den Monat April 2016 vorläufig gewährt, hinsichtlich der Höhe der Bedarfe für Unterkunft und Heizung (in tatsächlicher Höhe) aber ohne Vorbehalt.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen vor, soweit die Antragsteller Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung angemessener Bedarfe für Unterkunft und Heizung begehren. Soweit die Antragsteller darüber hinaus Bedarfe für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe begehren, liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung dagegen nicht vor.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn dies zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht werden (§ 86b Abs.2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch hinsichtlich des Regelbedarfs und angemessener Bedarfe für Unterkunft und Heizung glaubhaft gemacht.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Die Voraussetzungen des 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II liegen bei den Antragstellern zu 1. bis 3. vor. Die Antragsteller zu 4. und 5. sind nach dem SGB II leistungsberechtigt, da sie mit den Antragstellern zu 1. bis 3. in einer Bedarfsgemeinschaft leben (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4 SGB II). Die Antragsteller haben auch ihre Hilfebedürftigkeit (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II) glaubhaft gemacht.
Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Neben der Aufnahme von Arbeit und dem Einsatz von Einkommen und Vermögen haben Leistungsberechtigte zwar - ohne dass dies eine echte Leistungsvoraussetzu...