Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft
Orientierungssatz
1. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für eine Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB 2 ist auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Leistungsempfängers marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen und auf dieser tatsächlichen Grundlage eine Mietpreisspanne zu ermitteln.
2. Für eine Person ist eine Wohnraumgröße bis 50 qm, für zwei Personen bis 60 qm, für drei Personen bis 75 qm und für jede weitere Person maximal 12 qm angemessen.
3. Die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze muss auf der Grundlage eines überprüfbaren schlüssigen Konzepts erfolgen. Ist ein solches nicht vorhanden, sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden durch die Tabellenwerte zu § 12 WoGG zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 % gedeckelt.
4. Übersteigen die tatsächlichen Kosten der Unterkunft den angemessenen Umfang, so sind diese als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es dem Leistungsberechtigten nicht möglich oder zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 4. November 2016 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Die am 28. November 2016 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Beschwerde mit dem Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 4. November 2016 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis zum 31. März 2017 zu gewähren,
hat keinen Erfolg.
Streitgegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens sind allein Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis zum 31. März 2017. Die Begrenzung des Streitgegenstandes auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG und des Senats zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217; Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14/11b AS 67/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 13; Urteil vom 30. August 2010 - B 4 AS 10/10 R - BSGE 106, 283; Urteil vom 10. September 2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 70; vgl. Urteile des Senats vom 24. April 2015 - L 9 AS 699/12 - und vom 18. März 2016 - L 9 AS 643/14 -).
Die Beschwerde ist unbegründet.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Das Sozialgericht hat daher den Antrag zu Recht abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn dies zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht werden (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Die Voraussetzungen des 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II liegen bei der Antragstellerin zu 1. vor. Die Antragstellerin zu 2. ist nach dem SGB II leistungsberechtigt, da sie mit der Antragstellerin zu 1. in einer Bedarfsgemeinschaft lebt (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4 SGB II). Nach den Angaben der Antragstellerin zu 1. im Erörterungstermin des Berichterstatters am 6. Februar 2017 ist auch die Hilfebedürftigkeit der Antragsteller (§§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB II) als glaubhaft gemacht anzusehen.
Die Antragsteller haben aber keinen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Gewährung höherer als ihnen von dem Antragsgegner bewilligter Bedarfe für Unterkunft und Heizung.
Der Antragsgegner hat den Antragstellern mit Bescheid vom 8. September 2016 Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 513,75 Euro für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis zum 31. März 2017 bewilligt. Die tatsächlichen Aufwendungen für die mit Mietvertrag vom 11. Juli 2012 zum 1. August 2012 angemietete, 125 m² große Wohnung der Antragsteller betragen demgegenüber insgesamt 800,00 Euro (Grundmiete 650,00 Euro, Betriebs- und Heizkosten 150,00 Euro). Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung zwar in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, allerdings nur, soweit diese angemessen sind.
Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Aufwe...