Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 1317. berücksichtigungsfähige Krankheitsbilder: Polyneuropathie und Enzephalopathie. arbeitstechnische Voraussetzung. n-Hexan. Einwirkungskausalität. Nachweis. haftungsbegründende Kausalität. BK-Merkblatt. Parkinsonerkrankung. Werkzeugmacher. Spezialbenzin

 

Orientierungssatz

1. Eine Parkinsonerkrankung gehört nicht zu den von der BK 1317 erfassten Krankheitsbildern und wird im Übrigen auch nicht durch eine Intoxikation verursacht. Berücksichtigungsfähige Krankheitsbilder der BK 1317 sind vielmehr nur Polyneuropathien und Enzephalopathien.

2. Zur Nichtanerkennung einer Polyneuropathie als Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 1317 mangels Vorliegens der arbeitstechnischen und medizinischen Voraussetzungen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 06.08.2020; Aktenzeichen B 2 U 86/20 B)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 27. August 2018 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BK 1317).

Der 1939 geborene Kläger war seit 1957 bis zum Renteneintritt im Oktober 2003 als Werkzeugmacher tätig. Seit September 1994 hatte der Kläger als Beschäftigter der C. Elektronik GmbH & Co. KG beim Reinigen von Kupferbügeln Umgang mit Spezialbenzin 40/80, das n-Hexan enthält. Ab Dezember 1994 hätten sich nach Angaben des Klägers Kopfschmerzen, Schwindel, Hautreizungen und Depressionen eingestellt. Im Zeitpunkt des Renteneintritts im Oktober 2003 habe er angefangen zu zittern.

Der Kläger beantragte bei der Beklagten mit Schreiben vom 16. Oktober 2014 die Anerkennung der bei ihm diagnostizierten Parkinsonerkrankung als BK. Die Beklagte stellte Ermittlungen zu den arbeitstechnischen und den medizinischen Voraussetzungen der BK 1317 an. Aus den beigezogenen ärztlichen Befundberichten, dem Vorerkrankungsverzeichnis und der Schwerbehindertenakte ergab sich, dass bei dem Kläger eine Parkinsonerkrankung und eine Polyneuropathie diagnostiziert worden waren.

Die Präventionsabteilung der Beklagten führte unter dem 11. März 2015 nach einer Arbeitsplatzbesichtigung und nach Auswertung der Informationen des Arbeitgebers des Klägers aus, dass sowohl Trichlorethen als auch n-Hexan Listenstoffe im Sinne der BK 1317 seien. Ein Atemwegskontakt des Klägers zu Trichlorethen habe nicht bestanden. Unter Berücksichtigung der technischen Schutzmaßnahmen, der Raum- und Lüftungsverhältnisse und des Gehalts von nur 4 % n-Hexan im Spezialbenzin sei von einer Exposition auszugehen, die sich unterhalb des Luftgrenzwertes bewege. Zusammenfassend stellte die Präventionsabteilung fest, dass der Kläger zwar Atemwegskontakt zu n-Hexan gehabt habe, der neurotoxische Schwellenwert, der dem Arbeitsplatzgrenzwert für n-Hexan entspreche, aber während der Beschäftigungszeit des Klägers sicher eingehalten worden sei.

Mit Bescheid vom 30. März 2015 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 1317 ab. Ein Anspruch auf Leistungen bestehe nicht. Die festgestellte Erkrankung sei nicht ursächlich auf die berufliche Tätigkeit des Klägers zurückzuführen. Ein Atemwegskontakt zu Trichlorethen habe nicht bestanden. Der neurotoxische Schwellenwert für n-Hexan fordere für die Verursachung einer Polyneuropathie als BK eine längerfristige Exposition von mehr als 50 ppm = 180 mg/m³. Dieser sei nicht erreicht worden. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass n-Hexan eine chronische Enzephalopathie verursachen könne. Die beim Kläger festgestellte Parkinsonerkrankung gehöre nicht zu den neurologischen Krankheitsbildern, die durch Intoxikationen verursacht werden könnten.

Der Kläger legte am 24. April 2015 Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid ein und begründete diesen mit Schreiben vom 19. Dezember 2016. Die Beklagte befragte daraufhin ihren beratenden Arzt Dr. D., Facharzt für Arbeitsmedizin, Allergologie und Umweltmedizin. Dieser führte in seiner Stellungnahme vom 1. März 2017 aus, dass sich aus den Akten kein Hinweis auf einen regelmäßigen Hautkontakt des Klägers mit dem Spezialbenzin ergebe. Der Arbeitsplatzgrenzwert sei eingehalten worden. Die Verursachung der Polyneuropathie durch n-Hexan sei allein aufgrund des zeitlichen Verlaufs auszuschließen, da die Kribbelparästhesien an den Beinen, über die Dr. E. berichtet habe, erstmals im Jahre 2007 aufgetreten seien, also etwa vier Jahre nach dem Ende der beruflichen Tätigkeit im Oktober 2003. Das rezidivierende Auftreten solcher Kribbelparästhesien spreche eher für eine Verursachung durch die degenerativen Veränderungen im Lumbalbereich. Zudem seien die Kribbelparästhesien nicht distal symmetrisch. Darüber hinaus sei bei Patienten, die an Morbus Parkinson erkrankt seien, eine erhöhte Prävalenz von Polyneuropathien bekannt. Der Morbus Parkinson sei erst im Jahre 2008 diagnostizi...

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