Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterkunftskosten. Heizungskosten. Stromkosten. Kaltmiete. Angemessenheit. Wohnungsgröße. Mietspiegel. Wohngeldtabelle. Aufforderung zur Kostensenkung. Zugang. Anhörung. Obliegenheit. Nachweis. Kündigungsfrist. Untervermietung. Pauschalierung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten ist als Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter zu ermitteln. Für eine einzelne Person ist eine Wohnungsgröße bis zu 45 qm angemessen, für zwei Personen bis zu 60 qm und für jede weitere Person zusätzlich jeweils 12 qm.
2. Der Leistungsträger muss ermitteln, welcher Mietzins pro Quadratmeter angemessen ist. Hierfür kann er sich auf auf örtliche Mietspiegel stützen oder andere Erkenntnisquellen verwenden, z.B. Mietpreisübersichten des Verbandes Deutscher Makler oder anderer privater Organisationen, Auswertungen der Wohnungsangebote in lokalen Zeitungen, Erkenntnisse des Wohnungsamtes oder andere nachvollziehbar dokumentierte Erfahrungswerte; ausgeschlossen ist hingegen ein Rückgriff auf die Wohngeldtabelle nach § 8 WoGG.
3. Bei der Aufforderung, die Kosten der Unterkunft zu senken, handelt es sich um keinen Verwaltungsakt. § 24 SGB und § 40 SGB X finden daher keine Anwendung.
4. Die 6-Monats-Frist nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II beginnt, wenn der Leistungsträger den Hilfeempfänger auffordert, die Kosten der Unterkunft zu senken und hierbei die Höhe der als angemessen anzusehenden Unterkunftskosten nennt.
5. Der Leistungsträger ist nicht berechtigt, die Heizungskosten zu pauschalieren. Die Höhe der zu übernehmenden Kosten für die Heizung ergibt sich entweder aus dem Mietvertrag oder aus den Vorauszahlungsfestsetzungen der Energieversorgungsunternehmen, für die eine Vermutung der Angemessenheit spricht, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte für ein unwirtschaftliches Heizverhalten vorliegen. Hat der Hilfeempfänger indes nur einen Anspruch auf Bewilligung der angemessenen Unterkunftskosten, besteht ein Anspruch auf Heizungskosten nur anteilig im Verhältnis der angemessenen zu der tatsächlichen Wohnfläche.
Normenkette
SGB II § 20 Abs. 2, § 22 Abs. 1; SGB X §§ 20, 24, 37 Abs. 2, § 40; WoGG § 8; WoBindG § 5; WoFG § 27; SGG § 86b
Verfahrensgang
SG Darmstadt (Beschluss vom 22.05.2006; Aktenzeichen S 12 AS 163/06 ER) |
Tenor
I. Unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Darmstadt vom 22. Mai 2006 wird der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 21. März 2006 bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Klageverfahrens S 12 AS 227/06, höchstens bis zum 31. März 2007, 50 % der tatsächlich anfallenden Heizungskosten für seine Wohnung in A. zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Der 1961 geborene Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von dem Antragsgegner die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten (KdU) für seine Wohnung in A. Ausweislich der Mietbescheinigung vom 10. September 2005 setzen sich seine Unterkunftskosten zusammen aus 560,00 Euro Kaltmiete, 42,00 Euro Abwassergebühr, 32,00 Euro sonstige Kosten und 106,00 Euro Heizungskosten. Die Wohnung des Antragstellers wurde 1965 bezugsfertig, hat fünf Räume inklusive Küche und eine Wohnfläche von 90 m².
Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller mit Bescheid vom 28. September 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Zeitraum vom 1. Oktober 2005 bis zum 28. Februar 2006, u.a. die tatsächlichen Unterkunftskosten (Bl. 58 der Verwaltungsakte). Der Bescheid enthält eine Mitteilung, wonach die Miete des Antragstellers die im Landkreis X. geltende angemessene Höchstmiete deutlich überschreite. Er werde deshalb bereits jetzt darauf hingewiesen, dass gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II diese den angemessenen Umfang übersteigenden Unterkunftskosten nur für längstens sechs Monate übernommen werden könnten. Innerhalb dieses Zeitraums sei es dem Antragsteller zuzumuten, die Aufwendung durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise zu senken. Ab dem 1. März 2006 könnten Unterkunftskosten nur noch in angemessener Höhe von 434,50 Euro Miete inklusive aller Nebenkosten zuzüglich Heizkosten in Höhe von 40,00 Euro als Bedarf anerkannt werden. Mit weiterem Schreiben ebenfalls vom 28. September 2005 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass die Leistungsgewährung zum 30. September 2005 befristet werde und forderte ihn zur Vorlage weiterer Unterlagen auf. Hierauf antwortete der Antragsteller dem Antragsgegner mit Schreiben vom 4. Oktober 2005.
Mit Bescheid vom 12. Oktober 2005 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller aufgrund einer Neuberechnung für den Monat Oktober 2005 Leistungen in Höhe von 1.293,26 Euro, darunter die tatsächlichen Unterkunftskosten.
Mit seinem Antrag vom 5. Februar 2006, bei dem Antragsgegner am 9. ...