Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßkostenhilfe. Einkommen. Raten. Wohngeld. Mietbelastung. Miete. besondere Belastung
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Einkommen im Rahmen der Prozeßkostenbewilligung gehören nach § 115 ZPO alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Dazu zählt grundsätzlich auch das Wohngeld.
2. Als besondere Belastungen nach § 115 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz ZPO kommen auch Kosten im Zusammenhang mit dem Wohnen in Betracht. Dabei sind insbesondere höhere Mietkosten zu berücksichtigen, die dann von den Einnahmen abzusetzen sind, wenn diese jedenfalls bei einem Einkommen im unteren Bereich der Tabelle zu § 114 ZPO sowohl 20 v.H. der Gesamteinnahmen als auch den in der Tabelle zugrundegelegten, pauschalierten Mietkostenanteil von 156 DM übersteigen; welcher Abgrenzung zu folgen ist, läßt der Senat hier offen.
Normenkette
SGG § 73a Abs. 1; ZPO §§ 114-115; BSHG § 76 Abs. 2
Verfahrensgang
SG Gießen (Beschluss vom 26.09.1991; Aktenzeichen S-5/Ar-816/91) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des Sozialgerichts Gießen vom 26. September 1991 dahingehend geändert, daß Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt wird.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Sie ist sachlich auch begründet.
Der Beschluß des Sozialgerichts war abzuändern und dem Kläger auf seinen Antrag hin Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen.
Nach § 114 Zivilprozeßordnung (ZPO) i.V.m. § 73 a Abs. 1 SGG erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozeßkostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichene Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Soweit aus dem Einkommen Raten aufzubringen sind, ergibt sich deren Höhe aus einer Tabelle zu § 115 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. § 76 Abs. 2 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ist entsprechend anzuwenden; von dem Einkommen sind weitere Beträge abzusetzen, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist.
Das Sozialgericht geht in seiner Entscheidung zu Unrecht von monatlichen Einkünften in Höhe von 918,48 DM aus. Unter Zugrundelegung dieses Betrages ist das Sozialgericht unter Bezugnahme auf die Tabelle zu § 115 zu dem Betrag von 40,00 DM als Monatsrate gelangt. Einer näheren Prüfung der Anwendung der Tabelle bedurfte es hier jedoch nicht, da bereits nach den glaubhaften Angaben des Klägers im Prozeßkostenhilfeantrag diese Leistung ohne Ratenzahlung zu gewähren war. Ausweislich der Angaben des Klägers und nachgewiesen durch den Wohngeldbescheid vom 2. April 1991 belaufen sich die Wohngeldleistungen auf monatlich 191,00 DM. Dem stehen Mietbelastungen in Höhe von 422,20 DM abzüglich Heizkosten und damit einer Kaltmiete von 380,20 DM gegenüber. Der Kläger beruft sich insoweit zu Recht auf die Berücksichtigung der erhöhten Wohnkosten. Richtigerweise werden zwar die Leistungen aus dem Wohngeldrecht als Einkünfte berücksichtigt (vgl. Zöller, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 17. Auflage, 1991, § 115 Rdnr. 12 m.w.N.). Die Berücksichtigung bei den Einnahmen bedingt jedoch, daß auch im Zusammenhang mit dem Wohnen besondere Belastungen berücksichtigt werden müssen, wie dies ausdrücklich im Rahmen des § 115 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz vorgesehen ist. Dabei kann die Berücksichtigung höherer Mietkosten im Rahmen der besonderen Belastung als gefestigte Auffassung angesehen werden (vgl. Zöller, a.a.O., § 115 Rdnr. 76 m.w.N.). Zum Umfang der Berücksichtigung werden unterschiedliche Berechnungsarten vorgeschlagen. Zum einen wird auf den Grenzwert von 20 % der Gesamteinnahmen abgestellt; übersteigen die Wohnkosten diesen Grenzwert, stellen diese eine besondere Belastung dar. Nach anderer Meinung ist auf den Wert von 156,00 DM abzustellen, der als Pauschbetrag für die Kaltmiete dem Tabellenwerk zu § 115 ZPO zugrunde gelegt ist (vgl. Zöller, a.a.O., Rdnr. 76). Im unteren Bereich der Tabelle ist nach OLG Köln (Entscheidung vom 9. Dezember 1991 – 2 W 206/91) zur Wahrung des Existenzminimums jedenfalls eine über 156,00 DM hinausgehende Mietbelastung als besondere Belastung im Sinne des § 115 Abs. 1 Satz 3 anzusehen. Davon geht auch das LSG Berlin (Entscheidung vom 9. August 1991 – L-1/An-S 37/91) aus. Besondere Belastungen im Sinne des § 115 Abs. 1 Satz 3 sind Unterkunftskosten nach OVG-Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 29. Juli 1991 – 8 B 2791/90) allenfalls insoweit, als sie 18 % des Nettoeinkommens des um Prozeßkostenhilfe nachsuchenden Antragstellers übersteigen. Zu diesem Ergebnis kommt auch das LAG Köln (Entscheidung vom 19. Juli 1991 – 10 Ta 126/91 – MDR 1991, S. 1690).
In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich vorliegend im Hinblick auf die nach dem Wohngeldbescheid nachgewiesenen Kaltmiete ein Betrag von 196,50 DM (380,20 DM – 183,7...