Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Beschluss vom 02.08.1983) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des Vorsitzenden der 16. Kammer des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 2. August 1983 aufgehoben.
Gründe
Der Kläger wendet sich gegen eine in dem Rechtsstreit S-16 J 702/82 getroffene Entscheidung des Vorsitzenden der 16. Kammer des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 2. August 1983. Das Verfahren betrifft eine Rechtsfrage, über die beim Bundessozialgericht in einem gleichgelagerten Fall ein Revisionsverfahren anhängig ist. Dem Sozialgericht wurde unter dem 5. Juli 1983 vom Bundessozialgericht dazu mitgeteilt, daß sich noch nicht absehen ließe, wann mit einer Entscheidung gerechnet werden könne. Auf den Antrag des Klägers vom 22. Juli 1983, ungeachtet der noch ausstehenden Entscheidung des Bundessozialgerichts baldmöglichst zu entscheiden, teilte ihm der Vorsitzende am 2. August 1983 mit:
„In dem Rechtsstreit habe ich eine Wiedervorlage Januar 1984 verfügt. Eine Entscheidung erscheint vorerst nicht sinnvoll, weil die Beklagte im Falle des Unterliegens Berufung einlegen würde und das Verfahren dann beim LSG bis zur erwarteten BSG-Entscheidung liegen würde.”
Dagegen hat der Kläger am 16. August 1983 Beschwerde eingelegt, der nicht abgeholfen worden ist. Er ist der Ansicht, er habe einen Anspruch darauf, daß über seine Klage entschieden werde und könne nicht darauf verwiesen werden, daß beim Bundessozialgericht ein ähnlich gelagertes Verfahren noch anhängig sei.
Die Beschwerde ist zulässig.
Nach § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte mit Ausnahme der Vorbescheide die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift können prozeßleitende Verfügungen nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
Bei der angefochtenen Entscheidung handelt es sich zwar der Form nach um eine prozeßleitende Verfügung des Kammervorsitzenden, die mit der Beschwerde nicht angefochten werden kann, doch handelt es sich inhaltlich in Wahrheit nicht um eine prozeßleitende Verfügung, die es ermöglichen soll, daß das Verfahren seinen gesetzmäßigen und zweckfördernden Verlauf nimmt, sondern um eine Aussetzung des Rechtsstreits bis zur Entscheidung des Bundessozialgerichts in einem gleich- oder ähnlich gelagerten Streitfall. Ausschlaggebend für die Zulässigkeit der Beschwerde kann jedoch nicht die Form sein, in der die angegriffene Entscheidung ergangen ist, sondern ausschließlich die Wirkung, die sich nach ihrem Inhalt entfaltet (Stein-Jonas 19. Aufl. Anm. I zu § 252). Ihrem Inhalt nach stellt die Entscheidung des Kammervorsitzenden eine Aussetzung des anhängigen Rechtsstreits dar, so daß die Beschwerde nach § 172 SGG in Verbindung mit § 252 der Zivilprozeßordnung (ZPO), die mindestens entsprechend anzuwenden ist, zulässig ist.
Die Beschwerde ist auch begründet, denn Gründe, die eine Aussetzung des Verfahrens rechtfertigen könnten, liegen eindeutig nicht vor. Insbesondere stellt die Anhängigkeit eines sogenannten „Musterprozesses” keinen Aussetzungsgrund dar, da es nicht angeht, einen Beteiligten gegen seinen Willen an einen fremden Prozeß zu binden, in dem er selbst nicht vertreten ist (vgl. Meyer-Ladewig, § 114 SGG Anm. 7; Zeihe, Komm. z. SGG § 114 SGG Anm. 9).
Die angefochtene Entscheidung war deshalb aufzuheben.
Diese Entscheidung ist nach § 177 SGG unanfechtbar.
Fundstellen
Haufe-Index 1449051 |
NJW 1985, 992 |