Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten PKH RVG
Leitsatz (amtlich)
1. Der Wirkzeitraum der Prozesskostenhilfe hat die Bedeutung eines Einzelfallkriteriums, das bei der im Rahmen des § 14 RVG vorzunehmenden Gesamtabwägung aller Umstände angemessen zu berücksichtigen ist.
2. Die Staatskasse kann sich nicht auf eine direkte Anrechnung gemäß der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG berufen und von der von ihr geforderten Verfahrensgebühr aufgrund von § 15a Abs. 1 RVG die hälftige Geschäftsgebühr in Abzug bringen, denn § 15a Abs.1 RVG enthält eine solche Anrechnungsregelung nicht.
3. Für die Staatskasse tritt bei regelgerechter Anrechnung gemäß § 58 Abs. 2 RVG das gleiche Gesamtergebnis ein, welches der Auftraggeber über § 15a Abs. 1 RVG erreicht.
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 17. April 2018 abgeändert und die Vergütung des Beschwerdeführers für die Tätigkeit als beigeordneter Rechtsanwalt im Verfahren S 12 AS 921/14 auf insgesamt 245,59 € festgesetzt; im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus Prozesskostenhilfe festzusetzenden Rechtsanwaltsvergütung.
Im Ausgangsverfahren (S 12 AS 921/14) begehrte der Kläger vor dem Sozialgericht Wiesbaden die Gewährung höherer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für den Zeitraum vom 1. April 2014 bis 30. September 2014. Streitig war in diesem Zusammenhang das Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zu einer Mitbewohnerin des Klägers. Nach Vorlage einer Klagebegründung am 4. Februar 2015 übersandte die Beklagte einen Teilabhilfebescheid vom 15. Juli 2015, durch welchen ab dem 1. Juni 2014 höhere Leistungen (höherer Regelbedarf) gewährt wurden. Das Klageverfahren endete durch gerichtlichen Vergleichsbeschluss vom 18. Juli 2016, wonach die Beklagte dem Kläger 38,50 € zahlt, damit das Klageverfahren erledigt ist und die Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zur Hälfte trägt.
Der Beschwerdeführer hatte zuvor mit Klageerhebung am 24. November 2014 einen Antrag auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung gestellt, den das Sozialgericht durch Beschluss vom 12. Oktober 2015 mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt hatte. Der Beschwerdeführer beantragte am 19. November 2015 erneut die Gewährung von Prozesskostenhilfe; durch Beschluss vom 7. Juli 2016 bewilligte das Sozialgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe mit Wirkung ab dem 19. November 2015 unter Beiordnung des Beschwerdeführers.
Mit Schriftsatz vom 3. August 2016 machte der Beschwerdeführer folgende Gebühren zur Festsetzung gegenüber der Beklagten geltend:
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I. Vorverfahren |
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Geschäftsgebühr §§ 2, 13 RVG, 2302 VV-RVG |
300,00 € |
Post- und Telekommunikation, Pauschale, 7001/7002 VV-RVG |
20,00 € |
Zwischensumme netto |
320,00 € |
19% Umsatzsteuer, 7008 VV-RVG |
60,80 € |
Gesamtbetrag |
380,80 € |
II. Klageverfahren |
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Verfahrensgebühr §§ 3, 14 RVG, 3102 VV-RVG |
300,00 € |
Anrechnung Geschäftsgebühr |
-75,00 € |
Terminsgebühr, 3106 VV-RVG |
270,00 € |
Einigungsgebühr, 1006, VV-RVG |
300,00 € |
Post- und Telekommunikation, Pauschale, 7001/7002 VV-RVG |
20,00 € |
Dokumentenpauschale, 23 Kopien, 7000 Nr. 1a VV-RVG |
11,50 € |
Zwischensumme netto |
826,50 € |
19% Umsatzsteuer, 7008 VV-RVG |
157,04 € |
Gesamtbetrag |
983,54 € |
Gesamtbetrag I. und II. |
1.364,30 € |
hiervon zu erstatten (1/2) |
682,17 € |
Die Beklagte teilte am 16. August 2016 mit, dass die geltend gemachten Kosten gezahlt worden seien.
Der Beschwerdeführer beantragte am 5. August 2016 die Festsetzung der Gebühren aus Prozesskostenhilfe in Höhe von 491,77 €. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle kürzte die Gebührenrechnung wie folgt:
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Verfahrensgebühr, 3102 VV-RVG |
210,00 € |
Anrechnung Geschäftsgebühr |
-75,00 € |
Terminsgebühr, 3106 VV-RVG |
189,00 € |
Einigungsgebühr, 1006 VV-RVG |
210,00 € |
Post- und Telekommunikation, Pauschale, 7001/7002 VV-RVG |
20,00 € |
Dokumentenpauschale, 23 Kopien, 7000 Nr. 1a VV-RVG |
11,50 € |
Zwischensumme netto |
565,50 € |
19 % Umsatzsteuer, 7008 VV-RVG |
107,45 € |
Gesamtbetrag |
672,95 € |
abzüglich Anteil der Beklagten |
491,77 € |
Endsumme |
181,18 € |
Hinsichtlich der Kürzung wurde im Beschluss der Urkundsbeamtin vom 24. August 2016 ausgeführt, dass bei Bestimmung der Verfahrensgebühr der kurze Beiordnungszeitraum zu berücksichtigen sei, da Prozesskostenhilfe erst ab dem 19. November 2015 bewilligt worden sei. Es sei daher ein Abschlag von 30 % angemessen.
Der Beschwerdeführer legte am 31. August 2016 Erinnerung ein. Er verwies zur Begründung darauf, dass sich die Beiordnung gemäß § 48 Abs. 4 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) auf die gesamte Tätigkeit erstrecke und damit auch auf den Zeitraum vom 24. November 2014 bis 18. November 2015. Selbst wenn dies wegen § 48 Abs. 4 Satz 1 RVG nicht gelten würde und die Prozesskostenhilfevergütung nur auf einen Betrag in Höhe 672,95 € festzusetzen wäre, würde sein Anspruch sich wegen § 58 Abs. 2 RVG trotzdem auf 491,77 € be...