Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. elektronischer Schriftverkehr. Beschwerdeeinlegung. formbedürftiger Schriftsatz. Voraussetzung für die Übermittlung per Computerfax. Prüfung bei Fehlen einer eingescannten Unterschrift. Prüfungsmaßstab bei Nutzung eines E-Mail-to-Fax. Dienstes
Leitsatz (amtlich)
1. Formbedürftige Schriftsätze können mittels sog Computerfax durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf das Faxgerät des Gerichts übermittelt werden, soweit der Zweck der Schriftform auf diese Weise gewährleistet wird. Hierfür ist es auch ausreichend, dass nur ein Hinweis angebracht ist, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen kann.
2. Fehlt es an einer eingescannten Unterschrift, ist eine an den Umständen des Einzelfalls ausgerichtete Prüfung, ob das Schreiben von dem Absender herrührt und von diesem mit Wissen und Wollen in den Verkehr gebracht worden ist, geboten.
3. Bei Nutzung eines E-Mail-to-Fax - Dienstes ist die Authentizität und Integrität des übermittelten Dokuments unter Beachtung der Umstände nach einem besonders strengen Maßstab zu prüfen, um nicht systemwidrig die speziellen Formanforderungen des elektronischen Rechtsverkehrs zu umgehen.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 10. August 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers, mit der er beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 10. August 2018 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, alle in der Leistungsakte des Antragsgegners gespeicherten Firmenunterlagen für Zeiträume ab 1. Januar 2013 zu löschen sowie zukünftig auf die Speicherung von Daten zu verzichten, die Bezug zu der selbständigen Tätigkeit des Antragstellers haben,
hat keinen Erfolg.
Die Beschwerde ist gemäß § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bereits unzulässig. Danach ist die Beschwerde schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Diese Form wahrt die Beschwerdeschrift des Antragstellers nicht. Diese ist offenbar aus einem sog. E-Mail-to-Fax - Dienst unter Nutzung des Freemail - E-Mail-Accounts "xyz@web.de" eingereicht worden und nicht mit einer eigenhändigen Unterschrift bzw. dem digitalisierten Abbild derselben versehen, sondern mit dem maschinenschriftlichen Nachnamen des Antragstellers in einer geschwungeneren Schriftart.
Die eigenhändige Unterschrift des Beteiligten oder seines Bevollmächtigten ist grundsätzlich ein zwingendes Wirksamkeitserfordernis für bestimmende Schriftsätze. Die Schriftform wird ebenfalls durch ein verschriftlichtes Rechtsschutzgesuch gewahrt, das mittels Telefax dem Gericht zugeleitet wird und dort ausgedruckt wird (Bundesverfassungsgericht - BVerfG, Beschluss vom 1. August 1996 - 1 BvR 121/95). Mittels sog. Computerfax können bestimmende Schriftsätze ferner formwirksam durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf das Fax des Gerichts übermittelt werden, soweit der Zweck der Schriftform auf diese Weise gewährleistet wird (vgl. auch § 130 Nr. 6 Zivilprozessordnung - ZPO). Zudem ist es ausreichend, dass nur ein Hinweis angebracht ist, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen kann (Bundesgerichtshof - BGH, Vorlagebeschluss vom 29. September 1998 - XI ZR 367/97; Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes - GmS-OGB, Beschluss vom 5. Februar 2000 - Gms-OGB 1/98; bestätigt durch: BVerfG, Beschluss vom 4. Juli 2002 - 2 BvR 2168/00).
Eine an den Umständen des Einzelfalls ausgerichtete Prüfung, ob das Schreiben von dem Antragsteller herrührt und von diesem mit Wissen und Wollen in den Verkehr gebracht worden ist, wie sie von Verfassungs wegen zur effektiven Rechtsschutzgewährung geboten ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Juli 2002 - 2 BvR 2168/00), führt im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis.
Die Schriftform soll gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem soll sie sicherstellen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist. Ausgehend von dieser Zweckbestimmung des Schriftformerfordernisses ist es notwendig, über die Feststellung hinaus, dass das fristgerecht eingegangene Faxschreiben des Antragstellers nicht unterschrieben ist, zu fragen, ob der darin enthaltene Rechtsbehelf von dem Antragsteller herrührte und dieser ihn mit Wissen und Wollen in den Verkehr gebracht hat. Dabei war zu berücksichtigen, dass als Absender der Name des Antragstellers maschinenschriftlich unter dem Schreiben zu finden war und in dem Schreiben zusätzlich das Aktenzeichen und das Zustelldatum des Ausgangsverfahrens und damit Daten genannt waren, die in der Regel allein dem Betr...