Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Kostenübernahme von Beiträgen für private Kranken- und Pflegeversicherung. halbierter Basistarif. Angemessenheit gem § 32 Abs 5 SGB 12. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Höhe der Übernahme von Beiträgen zur privaten Krankenversicherung im halbierten Basistarif durch den Sozialhilfeträger.
2. Begriff der "Angemessenheit" in § 32 Abs 5 SGB 12; keine weitere Deckelung bis zur Höhe der Kosten für gesetzlich krankenversicherte Bezieher von Arbeitslosengeld II.
Orientierungssatz
In Fällen, in denen infolge einer Beitragsversorgungslücke für Hilfebedürftige nach dem SGB 12 eine ausreichende gesundheitliche Versorgung (trotz bestehender privater Krankenversicherung) faktisch nicht mehr gewährleistet ist, hat eine verfassungskonforme Auslegung des Normengefüges in § 12 Abs 1c S 4 bis 6 VAG dahingehend zu erfolgen, dass die gesetzlich vorgesehenen hälftigen Beiträge im Basistarif als Hilfeleistung zu übernehmen sind (vgl LSG Essen vom 16.10.2009 - L 20 B 56/09 SO ER).
Tenor
I. Auf die Beschwerden der Beteiligten wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 1. September 2009 abgeändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB XII ab dem 31. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2009 die Aufwendungen für die private Krankenversicherung bei der C. im Basistarif in Höhe von 284,82 € monatlich zu übernehmen.
Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen.
II. Für das Beschwerdeverfahren haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welcher Höhe der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Kosten des Antragstellers für die private Krankenversicherung zu tragen hat.
Der 1971 geborene Antragsteller erhält von dem Antragsgegner seit dem 30. November 2005 laufende Leistungen in Gestalt von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Er ist seit dem 1. September 1998 bei der C. privat kranken- und pflegeversichert. Es handelt sich um eine Krankheitskostenvollversicherung, wonach Aufwendungen für ärztliche Leistungen sowie Heil-, Hilfs- und Arzneimittel zu 100 % und Aufwendungen für Zahnkronen, Kieferorthopädie zu 75 % sowie sonstige zahnärztliche Leistungen zu 100 % erstattet werden. Zum 1. Januar 2008 zahlte der Antragsteller einen monatlichen Beitrag in Höhe von 295,35 € (253,59 € Krankenversicherung; 16,40 € Pflegeversicherung; 25,36 € gesetzlicher Zuschlag). Den jährlichen Selbstbehalt in Höhe von 1.180 € überwies der Antragsgegner ausweislich des Schreibens vom 18. Februar 2008 unter gleichem Datum auf das Konto des Antragstellers. Mit Schreiben ebenfalls vom 18. Februar 2008 führte die C. aus, dass die Jahres-Selbstbeteiligungsgrenze erreicht sei. Die Aufwendungen für den Selbstbeteiligungsbetrag wurden in den Jahren 2006 bis 2008 von dem Antragsgegner nach § 48 SGB XII vollständig erstattet.
Mit Schreiben vom 12. November 2008 teilte der Antragsgegner mit, dass durch die Gesundheitsreform ab dem 1. Januar 2009 der neue Basistarif in der privaten Krankenversicherung eingeführt werde. Er bat den Antragsteller diesbezüglich um Beantragung des Wechsels in den Basistarif seiner Krankenkasse und um Vorlage eines entsprechenden Nachweises über die Antragstellung. Mit Schreiben vom 19. November 2008 führte der Antragsteller diesbezüglich aus, dass der Beitrag zu dem Basistarif deutlich über dem bisher zu leistenden Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung liegen werde. Deswegen werde er nicht den Wechsel in den Basistarif beantragen. Vielmehr beantragte er wiederum die Übernahme des jährlichen Selbstbehaltes bei dem Antragsgegner.
Mit Schreiben vom 17. November 2008 teilt die C. mit, dass der monatliche Beitrag ab 1. Januar 2009 bei 313,79 € (269,23 € Krankenversicherung; 17,63 € Pflegeversicherung; 26,93 € gesetzlicher Zuschlag) liege. Zusätzlich sei im Jahr 2009 eine Selbstbeteiligung in Höhe von 1.280 € zu zahlen.
Mit Bescheid vom 3. Dezember 2008 bewilligte der Antragsgegner für November 2008 Leistungen in Höhe von 1.118,62 € und für Dezember 2008 in Höhe von 1.061,57 €. Hierbei berücksichtigte er neben dem Regelbedarf und den Kosten für Unterkunft und Heizung einen Bedarf für Kranken- und Pflegeversicherung nach § 32 SGB XII in Höhe von 296,58 € als Bedarf des Antragstellers. In dem Bescheid heißt es, dass ab dem 1. Januar 2009 der angegebene Beitrag zur privaten Krankenkasse für den Basistarif als Bedarf für angemessene Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung anerkannt werde. Weiter heißt es: “Sofern sich keine Änderungen der persönlichen und/oder wirtschaftlichen Verhältnisse ergeben, erfolgt die Bewilligung für den jeweiligen Folgemonat durch die Auszahlung der Leistung zum Monatswechsel„. Unter dem 1. Januar 2009 erhob der Antragsteller Widerspruch hiergegen. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2009 wies der Antragsgegner de...