Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung der Verletztenrente auf eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen
Orientierungssatz
1. Die Anrechnung der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Altersrente der Rentenversicherung ist zwingend vorgeschrieben.
2. Die Verletztenrente und die Altersrente haben Einkommensersatzfunktion. § 93 SGB 6 dient der Verhinderung einer Doppelversorgung. Eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wird insoweit nicht geleistet, als bereits eine Verletztenrente aus der Unfallversicherung zur Auszahlung kommt.
3. Die Regelung des § 93 SGB 6 enthält keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Anrechnung der Verletztenrente des Klägers aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf eine von der Beklagten gewährten Altersrente für schwerbehinderte Menschen.
Der 1944 geborene Kläger erlitt im Jahr 1969 einen Arbeitsunfall, bei dem er sein linkes Augenlicht verlor. Seit dem 1. Januar 1970 bezieht er deshalb eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Auf Antrag des Klägers vom 27. März 2007 erhielt der Kläger ab 1. Juni 2007 Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Laut Rentenbescheid vom 27. April 2007 betrug diese 997,36 € pro Monat. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und wendete sich gegen die Anrechnung seiner Unfallrente. Er bekomme insgesamt nur 1.272,00 € und falle deshalb unter die Sozialhilfebedürftigkeitsgrenze.
Mit Rentenbescheid vom 11. Juli 2007 nahm die Beklagte eine Nachberechnung vor und gewährte ab 1. Juli 2007 netto 1.016,19 € (1.129,73 € brutto). In der Anlage 7 berechnete die Beklagte unter Zugrundelegung des § 93 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch (SGB VI) die Altersrente mit 1.280,85 €. Durch das Zusammentreffen mit der Unfallrente in Höhe von 275,49 € kämen zur Auszahlung netto 1.016,19 €. Der Kläger hielt seinen Widerspruch aufrecht und vertrat die Ansicht, dass eine Anrechnung der Unfallrente unsozial sei, da die Empfänger einer Opferrente - die Verfolgten des SED-Regimes - keine Anrechnung hinnehmen müssten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. November 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte aus, dass die Berechnung nach § 93 Abs. 1 SGB VI erfolgt und rechtens sei.
Am 4. Dezember 2007 erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Marburg und trug vor, aufgrund der Anrechnungsvorschriften sei seine Altersrente um 157,98 € gekürzt worden. Damit falle er mit seiner Ehegattin unter die Bedürftigkeitsgrenze. Er sei im Voraus nicht über diese Sachlage informiert gewesen. Es liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor. Die Berechnung als solche wurde von ihm nicht angefochten.
Mit Urteil vom 23. September 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass die Anrechnung der Verletztenrente aus der Unfallversicherung auf die Altersrente zwingend vorgeschrieben sei. Dies ergebe sich aus § 93 Abs. 1 SGB VI. Die Anrechnung einer Verletztenrente aus der Unfallversicherung auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung habe es seit je her, d.h. seit Einführung der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung in Deutschland gegeben. Regelungen wegen möglicher Überschneidungen der zum selben Zweck gezahlten Leistungen bestünden seit der Einführung der Rentenversicherung durch das Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz vom 22. Juni 1889 (Reichsgesetzblatt Seite 97). Die vorgeschriebene Anrechnung von Unfallrenten auf Altersrenten sei in den vergangenen 120 Jahren seit Einführung der gesetzlichen Rentenversicherung durch alle Rentenreformen und Rentenänderungen beibehalten worden. Der Grundgedanke der Ruhensregelung bestehe darin, dass der Versicherte und Rentenbezieher durch gleichzeitigen Bezug von Unfall- und Rentenversicherungsrente kein wesentlich höheres Nettoeinkommen erzielen sollen, als der vergleichbare gesunde Versicherte durch Arbeit erzielte. Die Begrenzung der Rentenansprüche sei mit Rücksicht auf die Lohnersatzfunktion der Rente aus beiden Versicherungszweigen mit dem Grundgesetz vereinbar. Dieser Zielsetzung wolle § 93 SGB VI dadurch gerecht werden, dass entsprechend den gestiegenen Belastungen der Arbeitnehmer mit Steuern und Sozialabgaben der bisherige Höchstbetrag von 80 % bzw. 95 % des Jahresarbeitsverdienstes, der der Berechnung der Unfallrente früher einmal zugrunde lag, nunmehr auf 70 % dieses Wertes begrenzt werde.
Gegen das am 23. Oktober 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19. November 2008 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Der Kläger ist weiterhin der Ansicht, dass die Anrechnung gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verstoße. Bei politischen Häftlingen gebe es die Anrechnung nicht. Der Verlust seines Augenlichtes würde damit minder bewertet als die Verbüßung eines sechsmonatigen Freiheitsentzuges.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 23. September 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 27. April 200...