Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Ausnahme vom Leistungsausschluss für Ausländer. Anforderungen an den fünfjährigen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet

 

Leitsatz (amtlich)

Die Rückausnahme des § 7 Abs 1 S 4 und 5 SGB II setzt nicht nur eine einmalige Anmeldung bei der Meldebehörde, sondern ein durchgehendes Gemeldetsein im Bundesgebiet für die Dauer von mindestens fünf Jahren voraus.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juni 2019 aufgehoben, soweit der Antragsgegner darin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur vorläufigen Leistungserbringung für den Antragsteller für die Zeit vom 3. Juni bis 31. Juli 2019 verpflichtet wurde. Der Antrag des Antragstellers wird insoweit abgelehnt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander in beiden Rechtszügen keine Kosten zu erstatten.

Dem Antragsteller wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. B., A-Stadt, Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für das Beschwerdeverfahren bewilligt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 3. Juni bis 30. September 2019.

Der 1954 geborene Antragsteller, der über die kroatische Staatsangehörigkeit verfügt, beantragte am 25. Februar 2019 (Bl. 2, 10 der Verwaltungsakte) beim Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er gab an, seit 10 Jahren in Deutschland zu leben. Im Moment lebe und wohne er von und bei Freunden, was nun nicht mehr gehe (Bl. 5 der Verwaltungsakte). Aus einer erweiterten Meldebescheinigung vom 14. März 2019 (Bl. 27 der Verwaltungsakte) geht hervor, dass der Kläger vom 15. Juni 2013 bis 5. Juni 2014 mit unbekannter Abmeldewohnung an der Adresse „C-Straße“ in A-Stadt gemeldet war. Der Antragsteller legte eine Bestätigung vor, dass er seit dem 16. August 2013 eine Postadresse an der Adresse „C-Straße“ in A-Stadt habe (Bl. 28 der Verwaltungsakte), und außerdem eine Bestätigung vom 28. Februar 2019 (Bl. 29 der Verwaltungsakt), nach der er ab sofort die Postadresse von D. D. in der E-Straße in A-Stadt nutzen dürfe. Mit Bescheid vom 25. März 2019 lehnte der Antragsgegner unter Verweis auf den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II die Gewährung von Leistungen ab.

Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller am 28. März 2019 (Bl. 37 der Verwaltungsakt) Widerspruch ein. Seine persönlichen Papiere seien ihm im Jahr 2009 geklaut worden. Er habe in den 90iger Jahren acht Jahre in Deutschland gelebt und sieben Jahre gearbeitet. Er erhalte in einem Jahr eine deutsche Rente. Seit 2012 habe er sieben Jahre mit einer bulgarischen Frau, F. F., gelebt. Diese sei jedoch nach Kassel umgezogen. Dort habe er sich jedoch nicht anmelden können, weil dies der Hausbesitzer nicht erlaubt habe. Der Antragsteller legte außerdem eine Bescheinigung der Polizei vom 23. Juli 2009 (Bl. 39 der Verwaltungsakte) über die Erstattung einer Anzeige über den Diebstahl des kroatischen Passes, des Personalausweises und des Führerscheins vor.

Mit Schreiben vom 8. April 2019 (Bl. 43 der Verwaltungsakte) verwies der Antragsgegner darauf, dass der Antragsteller nach der derzeitigen Aktenlage keinen Leistungsanspruch habe. Er solle jedoch Nachweise über die Zeiten seiner Erwerbstätigkeit in Deutschland und seinen ununterbrochenen Aufenthalt in Deutschland einreichen. Daraufhin legte der Antragsteller eine Bescheinigung des G. Werks für A-Stadt und G-Stadt vom 2. April 2019 (Bl. 45 der Verwaltungsakte) vor, nach der dieses ihn seit 2006 kennen würde. Er habe regelmäßig die Angebote des Hilfezentrums genutzt. In den letzten Jahren hätten sie ihn immer wieder im Bahnhofsviertel, meist mit seiner Lebensgefährtin, die in der H-Straße gelebt habe, gesichtet. Sie gingen davon aus, dass sich der Antragsteller durchgängig seit 2006 in A-Stadt aufhalte. Außerdem legte der Antragsteller eine Bestätigung von F. F. vom 5. April 2019 (Bl. 46 der Verwaltungsakte) vor, nach der sie seit 2012 mit dem Antragsteller befreundet sei. Sie hätten von 2013 bis 2014 zusammen im „C-Straße“ in A-Stadt gelebt. Anschließend hätten sie aufgrund der schwierigen räumlichen Situation keine gemeinsame Wohnung gehabt. Trotzdem hätten sie sich täglich bis Februar 2019 in A-Stadt getroffen. Dann sei sie nach Kassel gezogen.

Der vorliegende Versicherungsverlauf der Rentenversicherung vom 17. April 2019 (Bl. 48 der Verwaltungsakte) weist für den Antragsteller für die Zeit vom 22. Oktober 1992 bis 15. April 2000 überwiegend Pflichtbeitragszeiten aus. Die Meldebestätigung vom 16. August 2013 (Bl. 49 der Verwaltungsakte) weist einen Einzug des Antragstellers am 15. Juni 2013 in die Wohnung „C-Straße“ in A-Stadt aus. Außerdem liegt für den Antragsteller eine Meldebescheinigung der Stadt K-Stadt vom 23. April 2019 über Wohnungen für die Zeit vom 8. September 1992 bis 13. Juni 2000 vor. Mit Schreiben vom 23. ...

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