Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Darmstadt vom 14.12.1995 - L 5 V 1221/94, das vollständig dokumentiert ist.
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 13.01.1995; Aktenzeichen S-11/V-1558/94) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Januar 1995 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Entziehung von Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der 1937 geborene Kläger ist ausländischer Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz in der Republik Kroatien, der ehemaligen Teilrepublik der früheren Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ). Er beantragte im Oktober 1988 bei dem Beklagten die Gewährung von Beschädigtenversorgung mit der Begründung, er sei als Kind durch zurückgelassenes Kriegsmaterial am 20. April 1945 verwundet worden und dadurch vollkommen erblindet sowie an seiner linken Hand dauerhaft beschädigt. Er lebe in schlechten materiellen Verhältnissen, er habe weder eine Arbeit als Selbständiger noch als nicht selbständig Beschäftigter und auch keine Einkünfte aus landwirtschaftlichem Besitz. Seinen Lebensunterhalt bestreite er mit Sozialhilfe und einer Rente als Zivilopfer seines Heimatstaates, in dem er als zu 100 % körperbeschädigt anerkannt sei. Der Kläger legte verschiedene Unterlagen und Bescheide vor, u.a. Bescheide über die Bewilligung der Rente als Zivilopfer in Kroatien sowie einen Zahlungsbeleg über diese Rente für den Monat Dezember 1988.
Mit Bescheid vom 11. Juli 1991, abgesandt am 29. Juli 1991, erkannte der Beklagte als Schädigungsfolgen nach dem BVG an,
1) “Verlust des rechten Auges, Erblindung des linken Auges, 2) Verlust des linken Daumens im Grundgelenk, Amputation der Endphalangen der Finger II - IV der linken Hand”
und bewilligte dem Kläger als Kann-Leistung gemäß § 64 e Abs. 1 bzw. § 64 Abs. 2 BVG Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. ab dem 1. Oktober 1988 nebst Schwerstbeschädigtenzulage Stufe I und Pflegezulage Stufe III.
Mit Bescheid vom 11. Januar 1993, abgesandt am 11. Januar 1993, hob der Beklagte den Bewilligungsbescheid mit Wirkung ab dem 1. Februar 1993 ohne vorherige Anhörung auf. Zur Begründung führte er aus, der Bewilligungsbescheid vom 11. Juli 1991 sei fehlerhaft. Nach § 7 Abs. 2 BVG sei das BVG nicht auf Kriegsopfer anzuwenden, die wie der Kläger - aus derselben Ursache einen Anspruch auf Versorgung gegen einen anderen Staat besitzen, mit dem keine anderslautende zwischenstaatliche Vereinbarung getroffen wurde. Das Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung des rechtswidrigen Bescheides sei vorliegend höher zu bewerten als das Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung des ihm begünstigenden Bescheides. Zugunsten der Interessen des Klägers sei zwar berücksichtigt worden, daß der Grund für das Zustandekommen des rechtswidrigen Bescheides allein in den Verantwortungsbereich der deutschen Verwaltung falle, daraus ergebe sich jedoch nicht die Schutzwürdigkeit dieses Vertrauens. Im Rahmen der gebotenen Ermessensprüfung sei die persönliche Situation des Klägers gewürdigt worden. Die niedrige Höhe der Versorgung in dessen Heimatstaat könne nicht zu einer Ermessensausübung zugunsten des Klägers führen, weil auf diese wirtschaftlichen Verhältnisse deutsche Verwaltungsentscheidungen keinen Einfluß hätten. Mit seinem Widerspruch vom 8. Februar 1993, eingegangen bei dem Beklagten am 13. Februar 1993, machte der Kläger geltend, die Versorgung als Kriegsopfer nach dem BVG stehe ihm zu nach dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik und der früheren Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien aus dem Jahre 1968, der weiterhin seine Gültigkeit habe. Außer diesem rechtlichen Aspekt sei in seinem Fall der humanitäre Aspekt in Betracht zu ziehen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 1994 - einen Nachweis über die Zustellung enthält die Verwaltungsakte des Beklagten nicht - wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte u.a. aus, es sei ferner geprüft worden, ob im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens ganz oder teilweise von der Entziehung der laufenden Leistungen abgesehen werden könne. Es sei bekannt, daß der Kläger schon in jungen Jahren schwer beschädigt worden sei und in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen lebe. Diese Umstände würden bei Sozialleistungen vielfach zutreffen und könnten bei allem Verständnis nicht dazu führen, daß lebenslang fortgesetzt werde, was nach dem Gesetz nicht hätte sein dürfen.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger mit Schreiben vom 2. Mai 1994, eingegangen beim Sozialgericht Frankfurt am Main am 10. Mai 1994, Klage erhoben und vorgetragen, die Entziehung der Versorgungsleistungen sei rechtswid...