Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz bei Beendigung der Familienversicherung durch die Krankenkasse
Orientierungssatz
1. Bei der Feststellung der Familienversicherung bzw ihres Erlöschens wegen Wegfalls der gesetzlichen Voraussetzungen handelt es sich um eine Statusentscheidung im Versicherungsrecht. § 10 SGB 5 bedarf der Umsetzung durch die Verwaltung unter Anwendung des Rechts auf den jeweiligen Einzelfall.
2. Die Familienversicherung löst keine Beitragspflicht des Familienangehörigen aus. Deshalb muss die Krankenkasse, wenn sie die sofortige Vollziehbarkeit ihrer Entscheidung erreichen will, nicht nach § 86a Abs 2 Nr 1 SGG, sondern nach Abs 2 Nr 5 dieser Vorschrift verfahren.
Tenor
1. Der Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 5. Mai 2008 wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Widerspruch der Antragstellerin gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 30. November 2007 und 13. Dezember 2007 sowie die am 10. Juli 2008 erhobene Klage gegen den Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 10. Juni 2008 aufschiebende Wirkung haben.
2. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten des Antrags- und Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Beendigung ihrer Familienversicherung.
Die Antragstellerin war jahrelang über ihren Ehemann bei der Antragsgegnerin familienversichert. Im November 2007 teilte sie der Antragsgegnerin mit, ihre Mutter habe ihr Grundbesitz übertragen und sie verfüge daher seit dem 1. Januar 2007 über Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung; von diesen Einnahmen sei indes eine “Reallast„ in Abzug zu bringen.
Die Antragsgegnerin teilte mit den Bescheiden vom 30. November 2007 und 13. Dezember 2007 der Antragstellerin mit, ihre Familienversicherung habe zum 31. Dezember 2006 geendet, da ihr Gesamteinkommen seit dem 1. Januar 2007 die Einkommensgrenze für die Familienversicherung überschreite. Zugleich wies sie auf die Möglichkeit einer eigenständigen gesetzlichen Mitgliedschaft der Antragstellerin hin.
Mit ihrem dagegen am 2. Januar 2008 erhobenen Widerspruch machte die Antragstellerin geltend, da ihr Einkommen durch die Reallast vermindert sei, sei die Einkommensgrenze für die Familienversicherung daher nicht überschritten.
Die Antragstellerin hat am 27. Februar 2008 bei dem Sozialgericht Fulda beantragt, "die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs wiederherzustellen", hilfsweise, festzustellen, dass sie über ihren Ehemann weiterhin bei der Antragsgegnerin familienversichert sei.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 5. Mai 2008 abgelehnt. In den Gründen hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Hauptantrag der Antragstellerin sei unzulässig. Die Familienversicherung erlösche Kraft Gesetzes; eines Verwaltungsaktes bedürfe es hierfür nicht. Die Vorschrift des § 86a Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei nur anzuwenden auf Widersprüche und Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte und somit hier nicht einschlägig. Der Hilfsantrag sei unbegründet, da es an einem glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch fehle.
Gegen den ihr am 8. Mai 2008 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 6. Juni 2008 Beschwerde beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt.
Sie trägt vor, sie habe sich unter Vorbehalt nunmehr freiwillig bei der Antragsgegnerin versichert. Inzwischen sei ein Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin am 10. Juni 2008 ergangen und dagegen Klage beim Sozialgericht Fulda am 10. Juli 2008 erhoben worden.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 5. Mai 2008 aufzuheben und festzustellen, dass der Widerspruch gegen die Bescheide der Beklagten vom 30. November 2007 und vom 13. Dezember 2007 und die inzwischen erhobene Anfechtungsklage vom 10. Juli 2008 gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 10. Juni 2008 aufschiebende Wirkung haben.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die zum Verfahren beigezogen worden sind.
II.
Die Entscheidung konnte mit Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin ergehen (§ 155 Abs. 3 und Abs. 4 SGG).
Die Beschwerde ist erfolgreich.
Der nunmehr von der Antragstellerin geänderte Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig. Es besteht ein besonderes Feststellungsinteresse der Antragstellerin, da grundsätzlich Rechtsunsicherheit besteht, ob bei Erlöschen einer Familienversicherung wegen Wegfalls der Voraussetzungen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V ein Verwaltungsakt der Antragsgegnerin erforderlich ist; von dieser Frage ist wiederum abhängig, unter welchen Voraussetzungen bzw. nach welchen Vorschriften einstweili...