Entscheidungsstichwort (Thema)

Alg II. einstweilige Anordnung. Übernahme rückständiger Stromkosten. Haushaltshaltsenergie. Ermessen. Verhalten des Hilfeempfängers

 

Leitsatz (redaktionell)

Die faktische Unbewohnbarkeit eine Wohnung infolge drohender oder eingetretener Sperrung der Energie- und/oder Wasserzufuhr steht dem Verlust der Wohnung gleich. Eine entsprechende Anwendung des § 22 Abs. 8 SGB II ist daher geboten, wenn eine Stromsperre lediglich die Energiezufuhr bedroht, die nicht die Heizung betrifft, weil mit Gas geheizt wird.

Das beide Entscheidung nach § 22 Abs. 8 SGB II bestehende Ermessen des Grundsicherungsträgers ist auch bei einer unmittelbaren drohenden Sperre der Energiezufuhr nicht reduziert, wenn sich ein Hilfeempfänger ein sozialwidriges unwirtschaftliches und die Möglichkeit der Selbsthilfe ignorierendes Verhalten entgegenhalten lassen muss.

 

Normenkette

SGG § 86b Abs. 2 S. 1; SGB II § 22 Abs. 1, 8, § 2 Abs. 1

 

Gründe

Die am 24. August 2013 eingegangene Beschwerde der Antragsstellerin mit dem sinngemäßen Antrag,

den Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 23. August 2013 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, die rückständigen Stromkosten der Firma BD. Versorgungs AG zu übernehmen,

hilfsweise

diese darlehensweise zu übernehmen,

ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Wegen des Sachverhalts wird zunächst auf den angefochtenen Beschluss sowie das aktenkundige Beschwerdevorbringen Bezug genommen. Die Leistungsbewilligung für den laufenden Zeitraum vom 1. Juni 2013 bis zum 30. November 2013 erfolgte mit Bescheid vom 29. Mai 2013. Wegen der vorliegend streitigen Forderungen des Energieversorger ist aus den Akten ein Antrag vom 1. Juni 2013 auf Übernahme von Restkosten des Energieversorgers in Höhe von 382,12 € nach Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs vom 22. Mai 2003 vor dem SG ersichtlich, auf welchen die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 17. Juni 2013 erwiderte, eine Übernahme der Forderungen könne geprüft werden, wenn eine Zusage seitens des Versorgers vorgelegt werde, dass der Stromabschlag nach Ausgleich des Vertragskontos auf das angemessene Maß abgesenkt werde; dass eine solche Zusage beigebracht wurde, ist nicht ersichtlich und wurde vom Prozessbevollmächtigten der Antragsstellerin auch nicht behauptet. Eine Bescheidung des Antrags vom 1. Juni 2013 lässt sich aus den Akten nicht nachvollziehen. Mit der Begründung, am Vortag sei eine Stromsperre erfolgt, wurde vom Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin sodann am 26. Juli 2013 unmittelbar der Eilantrag beim SG gestellt.

Ausweislich der Abrechnung des Versorgers vom 28. August 2013 ist die im erstinstanzlichen Antrag genannte Summe von 822,20 € zwischenzeitlich bis zu diesem Datum auf 977,20 € angestiegen. Die erstinstanzlich offen gebliebene Frage, wie sich der zwischenzeitliche Stromverbrauch seit der behaupteten Reparatur der Heizung entwickelt hat, wurde seitens der Antragstellerin unter Vorlage einer weiteren Abrechnung des Versorgers vom 12. September 2013 dahingehend beantwortet, dass der Tagesdurchschnittsverbrauch in der Zeit vom 12. Dezember 2012 bis zum 25. Juli 2013 im Vergleich zur vorangegangenen Messperiode (22. Dezember 2011 bis 11. Dezember 2012) von 23,493 kWh/Tag auf 35,606 kWh/Tag gestiegen sei. Zu einem Erörterungstermin am 18. September 2013, zu welchem die Antragstellerin persönlich geladen war, ist diese nicht erschienen und hat dies - nach vorheriger Information der Geschäftsstelle des Senats - unter Vorlage eines Attestes der Fachärzte für Hautkrankheiten Dres. med. C./D./E. vom 19. September 2013 mit Gesundheitsbeeinträchtigungen begründet; im Attest ist lediglich die Rede davon, dass die Antragstellerin am 19. September 2013 von 13:25 Uhr bis 14:30 Uhr in der ärztlichen Sprechstunde gewesen sei. Nach Angaben des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin im Erörterungstermin läuft parallel zum hiesigen Eilverfahren während des gesamten Zeitraums seit dem 25. Juli 2013 bereits eine Stromsperre. Der Prozessbevollmächtigte gab ferner an, er habe mit dem Energieversorger telefoniert, der jedoch jegliche vergleichsweise Lösung abgelehnt habe. Nach den insoweit übereinstimmenden Angaben der Beteiligten sind zwischen ihnen wegen der auch vorliegend streitgegenständlichen Fragen zwei Hauptsacheverfahren beim SG anhängig. Im Übrigen sei der Widerspruch gegen den Bescheid vom 29. Mai 2003 noch nicht beschieden. Auf den Inhalt des Protokolls wird Bezug genommen.

II.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 dieser Vorschrift vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Der Erlass einer einstweil...

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