Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Übernahme von Mietschulden durch den Sozialhilfeträger
Orientierungssatz
Nach § 35 Abs. 1 SGB 12 können Mietschulden nur dann übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Bringt der Hilfebedürftige inzwischen einen Betrag auf, mit dem er eine Verlängerung der Räumungsfrist erreicht und gelingt es ihm daraufhin, ein neues Mietverhältnis zu begründen, so liegt eine die Anwendung des § 34 SGB 12 rechtfertigende Notlage nicht vor.
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 20. April 2006 aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme von Mietschulden durch Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes streitig.
Die Antragsteller bezogen vom Antragsgegner im Jahre 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Darin enthalten waren auch Unterkunftskosten für die in A-Stadt gelegene Mietwohnung. Der Leistungsbezug endete, nachdem der Antragsteller zu 1. einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I realisieren konnte.
Am 23. Februar 2006 beantragten die Antragsteller die Übernahme offener Mietrückstände, die aufgrund von nicht gezahlten Mietforderungen in der Vergangenheit entstanden waren. Dem Antrag beigefügt war ein Räumungsurteil des Amtsgerichts Darmstadt vom 19. Oktober 2005, mit dem sie zur Räumung der Wohnung verpflichtet wurden. Die Vermieterin der Wohnung, die E. GmbH, hatte die Antragsteller mit Schreiben vom 8. November 2005 davon in Kenntnis gesetzt, dass die Mietrückstände sich auf insgesamt 6.741,42 € beliefen, wobei sich diese Summe durch die Kosten des Rechtsstreits erhöhen werde.
Durch Bescheid vom 27. Februar 2006 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Die Kosten der Unterkunft seien nicht angemessen im Sinne der geltenden Vorschriften und das Mietverhältnis sei auf Dauer nicht schützenswert. Hiergegen erhoben die Antragsteller mit Schreiben vom 13. März 2006 Widerspruch.
Am 13. März 2006 begehrten die Antragsteller die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch das Sozialgericht Darmstadt (SG). Im Erörterungstermin vom 20. April 2006 wiesen sie darauf hin, dass für den kommenden Tag, nämlich Freitag, den 21. April 2006 die Räumung der Wohnung durch den Vermieter vorgesehen sei.
Durch Beschluss vom 20. April 2006 verpflichtete das SG den Antragsgegner, den Antragstellern ein Darlehen zur Tilgung ihrer Mietschulden in Höhe von 6.700 € zu bewilligen; dem Antragsgegner bleibe freigestellt, dieses Darlehen direkt an den Vermieter der Antragsteller zu zahlen. Die Antragsteller könnten sich sowohl auf einen Anordnungsanspruch als auch auf einen Anordnungsgrund berufen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Räumung der Wohnung der Antragsteller für den nächsten Tag vorgesehen sei, sei auch die mit der Entscheidung verbundene Vorwegnahme der Hauptsache gerechtfertigt. Auf die Entscheidungsgründe im Einzelnen wird Bezug genommen.
Gegen den ihm am 6. April 2006 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner am 19. Mai 2006 eingegangenen Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat (Verfügung vom 13. Juni 2006). Er beruft sich auf die Rechtmäßigkeit seines Bescheides vom 27. Februar 2006. Außerdem sei die Zahlung von 6.700 € nicht geeignet, die Räumung zu verhindern und ausweislich der am 21. April 2006 getroffenen "Vereinbarung über eine Räumungsfrist" hätten die Antragsteller anerkannt, dass Rückstände in Höhe von insgesamt 14.335,34 € geschuldet würden. Auf diese Schuld hätten die Antragsteller selbst durch Barzahlung einen Betrag in Höhe von 11.000 € geleistet. Gleichzeitig sei den Antragstellern eine Verlängerung der Räumungsfrist bis zum 30. September 2006 gewährt worden. Selbst die Zahlung der 11.000 € sei mithin nicht geeignet gewesen, die Wohnung dauerhaft zu sichern. Anspruchsmerkmal des § 34 Abs. 1 SGB XII sei aber gerade die Sicherung der Wohnung.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 20. April 2006 aufzuheben und den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzuweisen.
Die Antragsteller beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie weisen u.a. darauf hin, dass durch die Zahlung des Betrages von 11.000 € ihre Wohnung zumindest bis zum 30. September 2006 gesichert worden sei. Außerdem sei Ihnen Obdachlosigkeit auch ganz erspart geblieben, da sie nunmehr zum 1. August 2006 ein neues Mietverhältnis hätten abschließen können.
Im Übrigen wird auf die Akte des Antragsgegners und der Gerichtsakte, die dem Senat bei der Entscheidungsfindung vorgelegen haben, Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann...