Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. Ausstellung einer kostenlosen Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr. Kriegsopferfürsorge. Bezieher von Hilfe in besonderen Lebenslagen. Eingliederungshilfe. Kraftfahrzeughilfe
Orientierungssatz
Ein Bezieher von Kraftfahrzeughilfe gem § 27d Abs 1 Nr 3 BVG, § 28 Abs 1 Nr 2 KFürsV hat keinen Anspruch auf kostenfreie Ausgabe der Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr, da es sich hierbei nicht um laufende Leistungen für den Lebensunterhalt iS des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB 9 handelt, sondern um Leistungen, die allein der Eingliederung des behinderten Menschen in die Gesellschaft dienen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 8. Juni 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Erstattung des vom Kläger entrichteten Betrages für die Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr für die Zeit vom 1. Mai 2011 bis 30. April 2012 in Höhe von 60 €.
Bei dem 1945 geborenen Kläger waren zuletzt mit Bescheid vom 6. Juli 2005 ab 28. Dezember 2004 ein Grad der Behinderung (GdB) von 90 festgestellt und ihm die Merkzeichen G und B zuerkannt worden. Außerdem bezieht er aufgrund von Wehrdienstbeschädigungen eine Beschädigtenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) seit 1. Februar 2005 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) - jetzt Grad der Schädigung (GdS) - von 70 (Bescheid vom 6. Juni 2005). Überdies wurde ihm Kraftfahrzeughilfe nach § 27 d Abs. 1 Nr. 3 BVG der in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung zur Kriegsopferfürsorge (KFürsV) und dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) gewährt. Mit Bescheid vom 9. Januar 2010 bewilligte ihm der Landeswohlfahrtsverband Hessen für die Zeit vom 1. Februar 2010 des 31. Januar 2011 Kraftfahrzeughilfe (50 €) einschließlich der Beiträge zur Kfz-Versicherung (19,01 €) in Höhe von monatlich 69,01 €.
Am 15. Februar 2010 hatte der Kläger erstmals die Ausgabe einer Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr beantragt, ohne dafür den grundsätzlich nach § 145 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) zu zahlenden Betrag von 60 € pro Jahr entrichten zu müssen, sowie die Rückzahlung der gezahlten Beträge für die Jahre 2004 bis 2009. Der Beklagte hatte den Antrag mit Bescheid vom 18. Februar 2010 mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger nicht unter die Besitzschutzregelung des § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 3 SGB IX falle, da er die dafür notwendigen Voraussetzungen zum Stichtag 1. Oktober 1979 nicht erfülle.
Am 22. Februar 2010 beantragte der Kläger erneut die Ausgabe einer kostenfreien Wertmarke mit der Begründung, er beziehe Leistungen nach § 27d BVG und habe nach § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX Anspruch auf die Wertmarke ohne Entrichtung von 60 €.
Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 24. Februar 2010 ab. Zur Begründung führte er aus, die unentgeltliche Wertmarke stünde nur Personen zu, die laufende Leistungen für den Lebensunterhalt nach § 27d Bundesversorgungsgesetz erhielten. Die gewährte Kraftfahrzeughilfe zähle zu den Hilfen in besonderen Lebenslagen und sei keine laufende Leistung zum Lebensunterhalt.
Den hiergegen am 3. März 2010 eingelegten Widerspruch wies der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2010 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 30. April 2010 Klage beim Sozialgericht Marburg (SG) erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX missverständlich sei. Sowohl § 27d BVG als auch § 28 KFürsV gewährten Hilfen in besonderen Lebenslagen, so dass die Bezugnahme auf § 27d BVG wegen des missglückten Wortlauts “laufende Leistungen„ ins Leere laufe. Die ihm gewährte Kraftfahrzeughilfe müsse als laufende Leistung im Sinne des § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX angesehen werden. Dies werde auch durch eine vergleichende Betrachtung mit den Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) und Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII) belegt. Auch diese würden - wie die Kraftfahrzeughilfe - nur für einen bestimmten Zeitraum bewilligt und seien als laufende Leistungen anzusehen. Diese Auslegung werde durch § 6 des Rundfunkgebühren-Staatsvertrages untermauert. Dort sei als Befreiungstatbestand der Bezug von Leistungen nach § 27d BVG ohne die weitere Voraussetzung der laufenden Leistung genannt. Auch die Historie spreche für seine Rechtsauffassung: Schon unter Geltung des § 59 des Schwerbehindertengesetzes sei überwiegend von einem Redaktionsversehen ausgegangen worden.
Der Landeswohlfahrtsverband hat dem Kläger mit Bescheid vom 3. November 2010 Kraftfahrzeughilfe für die Zeit vom 1. Februar 2011 bis 31. Januar 2012 (50 €) einschließlich der Beiträge zur Kfz-Versicherung (24,45 €) in Höhe von monatlich 74,45 €...